Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Evolution der Organisationssysteme.
Soziale Systeme wie Gesellschaften oder Organisationssysteme beinhalten stets auch selbsterhaltende Systeme (Menschen und andere Akteure), die sich mit eigenen Intentionen (Interessen) und Kompetenzen in das Gesamtsystem einbringen. Sie bestehen folglich nicht nur aus Kommunikation. Wesentliche Grundannahmen der Luhmannschen Systemtheorie dürften deshalb nicht zu halten sein.
In modernen menschlichen Gesellschaften, deren Mitglieder allgemein über leistungsfähige und sichere Methoden der Familienplanung verfügen, entwickelt sich das Reproduktionsinteresse von Individuen zu einer ökonomisch abschätzbaren Größe: es ist dann nicht länger nur „natürlich“ vorhanden. Unter der Rahmenbedingung der Gleichberechtigung der Geschlechter ist es im Mittel sogar umso niedriger, je höher die Kompetenzen und beruflichen Beanspruchungen der betroffenen Personen sind. Dies gilt in zunehmendem Maße für Frauen wie Männer, da in solchen Gesellschaften üblicherweise eine Angleichung der Lebensentwürfe beider Geschlechter – bei gleichzeitiger paritätischer Aufteilung eventueller Familienarbeiten – angestrebt wird. Es bildet sich dann aberein für Menschen unlösbarer Konflikt heraus: Mit zunehmender Kinderzahl steigen die Ausgaben für die Familie, während gleichzeitig ihre Einkünfte sinken 7 .
Die Konsequenz daraus ist: Moderne menschliche Gesellschaften reproduzieren sich nicht mehr gemäß den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie. Damit erklärt sich dann auch das
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
(Vining 1986).
Wie im Laufe der weiteren Ausführungen gezeigt wird, beruht der Prozess der Zivilisation maßgeblich auf einer zunehmenden Durchsetzung der Gefallen-wollen-Kommunikation gegenüber eher dominanten Kommunikationsweisen. Diese Entwicklung ging Hand in Hand einher mit Ausdifferenzierungs- und Individualisierungsprozessen, aber auch mit einer Wandlung des Trieb- und Affekthaushaltes auf Seiten der Individuen. Gleichzeitig war sie Voraussetzung für das Entstehen großer Organisationen (Organisationssysteme), deren plötzliches massenhaftes Auftreten ein entscheidendes Merkmal der Moderne sein dürfte.
Bei Organisationssystemen handelt es sich um neuartige biologische Phänomene einer bislang unbekannten Größenordnung, die sowohl eigene Identitäten als auch eigenständige Selbsterhaltungsinteressen besitzen. Während die biologische Evolution die Ein- und Mehrzeller (Organismen) hervorgebracht hat, sind die kulturelle, soziale, wissenschaftliche und technische Evolution primär das Ergebnis evolutiver Entwicklungen auf der nächst höheren Systemebene, den Organisationssystemen. Im Prinzip könnten diese als eine neue Form des Lebens aufgefasst werden 8 .
Ihr Energie- und Kapitalbedarf übertrifft alles bislang Dagewesene. Konnten sie anfangs noch auf Territorialstaaten eingegrenzt und damit zum Teil auch kontrolliert werden, so haben sie diese Beschränkungen längst hinter sich gelassen und sich teilweise über die ganze Welt ausgebreitet. Wenn man fragen würde, was Globalisierung eigentlich genau ist, dann müsste man wohl sagen: Es ist der Prozess des Anwachsens von Organisationssystemen zu globaler Größe, bei dem die Nationalstaaten gleichzeitig zu Lieferanten degradiert werden. Oft erhalten die betroffenen Länder noch nicht einmalmehr ausreichende Gelegenheit, ihr Humanvermögen zu bewahren. Wenn dieses dann schließlich erschöpft ist, was für Europa in den nächsten 30 bis 50 Jahren zu erwarten ist, dann werden die Organisationen zur nächsten Lokation weiterwandern, denn anders als Territorialstaaten sind sie nicht an Regionen und Bevölkerungen gebunden.
Die primäre selektive Umwelt solcher Organisationssysteme sind vor allem die Märkte, die aber allesamt auf der verschwenderischen Gefallen-wollenKommunikation basieren. Die Ursache der globalen Erwärmung dürfte folglich auch eher hier zu suchen sein, denn gegenüber diesen Giganten sind Menschen praktisch ohne Bedeutung, auch und gerade was den Ressourcenverbrauch angeht. Es stellt sich die Frage, ob es der Menschheit jemals noch gelingen wird, diese Superorganismen, in denen einzelne Menschen nur noch vertraglich temporär gebundene, jederzeit austauschbare Zellen sind, in ihre Schranken zu weisen.
Wenn man so will, dann erklärt das vorliegende Buch die Welt, nämlich wie einige wenige gemeinsame Evolutionsprinzipien aus der auf die Erde einströmenden Sonnenenergie
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