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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Geschlechtsunterschied.
    Die Soziologin Judith Butler geht noch einen Schritt weiter, indem sie behauptet, Geschlecht stelle ausschließlich eine soziale Kategorie dar, wobei sie gleichzeitig die biologische, binäre Konstruktion der Getrenntgeschlechtlichkeit radikal in Frage stellt (Butler 2007).
    Das vorliegende Buch zeigt dagegen auf: Kultur, Altruismus, Zivilisation, Höflichkeit, Demokratie, Marktwirtschaft, Kunst, Wissenschaft und Technologie beruhen allesamt maßgeblich auf einer ganz entscheidenden Errungenschaft der sexuellen Fortpflanzung, nämlich der
Gefallen-wollen-Kommunikation
. Sexualität ist vor allem Kommunikation. Ohne Sexualität und Getrenntgeschlechtlichkeit basierte die Welt wohl noch immer ausschließlich auf dem Prinzip
Fressen und Gefressen werden
.
    Ich bin seit der Veröffentlichung der ersten Auflage von „
Evolution, Zivilisation und Verschwendung
“ mehrfach gefragt worden, ob die SystemischeEvolutionstheorie nun eine Verallgemeinerung der Darwinschen Lehre sei oder gar deren Widerlegung.
    Sie ist im Grunde beides. Einerseits handelt es sich bei ihr um eine Verallgemeinerung, weil aus ihr die Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie – inklusive der natürlichen Auslese – unmittelbar ableitbar sind (siehe den Abschnitt
Gültigkeit der Darwinschen Evolutionsprinzipien
auf Seite → ), und weil sie zusätzlich eine ganze Reihe an nichtbiologischen Evolutionen erklären kann (siehe Abschnitt
Nichtbiologische Evolutionen
auf Seite → ), was mit der Darwinschen Theorie nicht möglich ist.
    Andererseits relativiert sie aber auch das Prinzip der natürlichen Auslese, welches die Evolution des Lebens bekanntlich mit dem durchschnittlich höheren Fortpflanzungserfolg der fitteren Individuen erklärt.
    Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang Fitness? Setzt man Fitness mit sozialem Erfolg, Bildung oder Wohlstand gleich, dann besteht in modernen menschlichen Gesellschaften gemäß dem empirisch sehr gut belegten
Central Theoretical Problem of Human Sociobiology
sogar eine zur natürlichen Selektion genau umkehrte Relation. Der höhere Fortpflanzungserfolg der Fitteren scheint sich also – anders als es die Darwinsche Lehre behauptet – nicht in allen Fällen zu realisieren.
    Die Biologen behalfen sich damit, indem sie Fitness kurzerhand mit relativem Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg gleichsetzten (siehe Abschnitt
Fitness
auf Seite → ), und zwar gemäß der Devise: „
Die Fitness eines Individuums lässt sich nur im Nachhinein beurteilen. So gesehen sind die Fittesten diejenigen, die in ihrem Leben – in Relation zu den anderen Mitgliedern einer Population – die meisten Nachkommen hinterlassen
.“
    Allerdings würde die natürliche Selektion auf diese Weise zu einer Tautologie verkommen, es sei denn, man forderte zusätzlich noch, dass sich fittere Individuen mindestens genauso oft fortpflanzen
„wollen“
wie weniger fitte. Damit wäre dann wieder ein echter Bezug zwischen Leben (
Fitness
) und Überleben (
Survival
) hergestellt. Und genau dies tut die Systemische Evolutionstheorie: sie ersetzt den Begriff des
Fortpflanzungserfolges
weitestgehend durch den des
Fortpflanzungswunsches
, wodurch es ihr gelingt, eine konzeptionelle Lücke in der Darwinschen Lehre zu schließen, die für viele Missverständnisse bei deren Anwendung verantwortlich gewesen sein dürfte.
    Frankfurt, im August 2008
    Peter Mersch
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    9 Der Grundgedanke des dahinterliegenden „Weltbildes“ ist: Wenn sich schon angeblich die gesamte biologische Artenvielfalt aus einfachsten Prinzipien (Variation, Selektion, Vererbung) heraus erklären lässt, dann sollte dies für alle anderen Phänomene des Lebendigen (einschließlich des Menschen) ebenfalls gelten. Die im vorliegenden Buch vorgestellte Systemische Evolutionstheorie vereint dabei sowohl reduktionistische als auch emergenztheoretische Ansätze: Alle Evolutionen werden auf einige wenige „atomare“ emergente Eigenschaften des Lebendigen zurückgeführt.
    10 Siehe dazu insbesondere den Abschnitt „Was ist Leben?“ auf Seite 275.
    11 Siehe dazu den Abschnitt „Wozu gibt es Sexualität?“ auf Seite 242. Gemäß Graham Bell (Bell 1982) handelt es sich hierbei um “the queen of problems in evolutionary biology”.

Neuerungen der vierten Auflage
    In der vierten Auflage wurden die folgenden Änderungen und Ergänzungen am Text vorgenommen, die in erster Linie das Kapitel
Evolution
betreffen:
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen populären

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