Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
man der Beute nur die
unschärfsten Konturen darbot. Und der transparente Pelz, der an
Glasfaserstränge erinnerte, spiegelte die Hintergrundfarbe
wider, was zur weiteren Verwirrung der Beute beitrug.
    Dennoch hatten nur wenige Spezies sich diese Strategie zu Eigen
gemacht, weil Unsichtbarkeit auch ihre Nachteile hatte.
    Ein unsichtbares Lebewesen war zugleich blind. Eine transparente
Netzhaut vermochte kein Licht aufzufangen. Das größte
Manko war aber die stark verringerte Effizienz der Biochemie solcher
Lebewesen, was durch die Verwendung transparenter Substanzen bedingt
war. Und es gab nicht einmal für die innersten Körperteile
Schutz vorm grellen Licht, der Wärme und ultravioletten
Strahlung der Sonne und vor der kosmischen Strahlung, die den
Planeten trotz des schützenden Magnetfelds immer bombardiert
hatte. Die Organe der Unsichtbaren waren transparent, aber auch nicht
so durchlässig, um die schädliche Strahlung
durchzulassen.
    Kaktus’ Mörder war schon im Todeskampf, und bald
würden die Krebsherde, die sich im transparenten
Magen-Darm-Trakt entwickelten, ihn umbringen. Und er war neoten
– er würde sterben, ohne jemals in die Pubertät
eingetreten zu sein. Niemand von der unsichtbaren Art hatte so lang
gelebt, um für Nachwuchs zu sorgen – freilich hätten
sie wegen des Strahlungsgeschädigten Erbguts auch gar keinen
lebensfähigen Nachwuchs hervorzubringen vermocht.
    Diese schwächlichen, von Geburt hilflosen Kreaturen waren
schon todgeweiht, ehe sie aus dem Ei schlüpften.
    Aber darauf kam es nicht an; jedenfalls nicht unter dem
genetischen Aspekt, denn die Familie profitierte davon.
    Diese amphibische Spezies hatte einen Kompromiss geschlossen. Die
meisten ihrer Jungen wurden geboren wie eh und je. Doch eins von zehn
wurde unsichtbar geboren. Wie die sterilen Arbeiter in einem Stock
lebten die Unsichtbaren ein kurzes, schmerzhaftes Leben und starben
jung – für einen einzigen Zweck: Nahrung für ihre
Geschwister zu beschaffen. Durch sie – durch ihre Nachkommen,
nicht durch seine – würde das genetische Erbe des
Unsichtbaren weitergegeben.
    Es war eine teure Strategie. Aber es war besser, einen von zehn in
jeder Generation einem kurzen, qualvollen Leben zu
überantworten, als das Aussterben der ganzen Art zu
riskieren.
    Durch die Nahrung im Magen und die Exkremente im Darm verriet ein
Unsichtbarer sich natürlich trotzdem. Wenn er Hunger hatte,
ließen die Geschwister ihn also hungern, bis er alle Exkremente
ausgeschieden hatte und wieder schön transparent war. Und dann
schickten sie ihn unter der tödlichen Sonne wieder hinaus und
hofften, dass er ihnen noch eine Mahlzeit beschaffte, eher er
endgültig den Geist aufgab.
     
    Die Sphäre hatte diese Vorgänge beobachtet.
    Die Sphäre war ein lebendiges Ding und doch keins. Sie war
ein Artefakt und wiederum keins. Die Sphäre hatte keinen Namen
für sich selbst oder ihre Art. Und doch hatte sie ein
Bewusstsein.
    Sie gehörte zu einer Horde, die in einem großen
Gürtel der Kolonisation, der sich um die Galaxis spannte,
zwischen den Sternen ausschwärmte. Und nun war die Sphäre
zu dieser zerstörten Welt gekommen, um nach Antworten zu
suchen.
    Die Erinnerung reichte weit zurück. Für die Art der
Sphäre war Identität etwas Amorphes, das man aufspaltete,
teilte und durch Komponenten und Baupläne weitergab. Die
Sphäre vermochte sich über Tausende von Generationen
zurückzuerinnern… und dann verlor die Spur der Erinnerung
sich im Nebel der Zeit. Die sich replizierenden Horden hatten
vergessen, woher sie kamen.
    Auf ihre Art wollte die Sphäre es wissen. Wie war
dieser Sterne umspannende Roboter-Schwarm entstanden? War er das
Ergebnis eines spontanen Entstehungsprozesses, auf irgendeinem
Asteroiden aus mechanischen und elektronischen Bauteilen? Oder hatte
es einen Konstrukteur gegeben – jemand anders, der die
Erzeuger dieser schwärmenden Massen zum Leben erweckt hatte?
    Seit einer Million Jahren hatte die Sphäre die Verteilung der
Replikatoren in der Galaxis studiert. Das war nicht leicht, weil die
Scheibe seit der Entstehung ihrer Art schon zwei Umdrehungen
vollführt hatte, wobei die Sterne die robotischen Kolonisten wie
Zentrifugen über den ganzen Himmel verstreut hatten.
Mathematische Modelle hatten diese Umdrehungen rückgängig
machen und die Sterne wieder am ursprünglichen Ort positionieren
sollen, um die halb vergessene Expansion der Replikatoren zu
rekonstruieren.
    Und schließlich hatte es die Sphäre in dieses

Weitere Kostenlose Bücher