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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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nachts eine Brille tragen, vor allem beim Autofahren. Dann sehen Sie die entgegenkommenden Scheinwerfer nicht mehr so verschwommen.«
    Ich gab keine Antwort. Es war das linke Auge, jenes, das Stacey aus dem Schädel geplatzt war. Schon gut, Liebling. Ich bin im Geiste bei dir, oder vielleicht bist du bei mir. Mit ein bisschen Glück werde ich aus Mitleid noch blind.
    Ich packte meine Bühnenklamotten weg und die Converse-Turnschuhe, Ghosts Markenzeichen, die er mir alle Jahre wieder zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich legte mir ein paar normale Kleidungsstücke zu und sah bald wie jeder x-beliebige Nobody aus. Ich ging zu einer Weinhandlung und investierte achthundert Dollar in Rebensaft. Ich legte Ghosts Gesten ab, seinen Gang, die Posen, die Tics. Ich gewöhnte mir seine Manierismen ab und reduzierte den Gangsta-Slang. Ich brannte Ghost ein für alle Mal aus mir heraus, steckte ihn in eine Kiste zwei Meter tief unter der Erde und pisste auf sein sprichwörtliches Grab. Ich verabschiedete mich aus seiner Welt und auch aus meiner.
    Es vergingen elfeinhalb Monate, bis ich sie wiedersah.

2
    In der Nacht, als der Tod nach West Adams zurückkehrte, spionierte ich nicht, obwohl es stimmt, dass ich mir angewöhnt hatte, meine Nachbarn zu beobachten. Manchmal mit bloßem Auge, aber öfter durch das 80-mm-Zhumell-Fernglas, das ich Stacey zum achtundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Das war in ihrer Fotografierphase gewesen. Ich hatte gehofft, das Zhumell, das sich gleichermaßen als Fernglas wie als Zoomobjektiv verwenden ließ, würde sie ermutigen, den Blick zum Himmel zu richten, wenn sie, wozu es unweigerlich kommen würde, vom Fotografieren genug hatte. Anfangs war sie ganz begeistert von ihrem Geschenk. Aber nach ein paar Tagen, in denen sie ihre zwei Nikons, den Zubehörkoffer, das Teleskop und sein klappbares Stativ durch den Garten geschleppt und versucht hatte, brütende Tauben unter dem Giebel von ›Whitey‹, unserem weißen Haus, in urbane Kunst zu verwandeln, verlor sie das Interesse.
    In einem Anflug von Optimismus zog ich mit Teleskop und Stativ auf den Balkon um und gab fünfzig Mäuse für Astronomiebücher aus. Im nächsten Monat ließen wir den Fernseher aus und taten so, als wäre der Balkon – mit seinem kleinen, gewölbten Dach, dem zurückgesetzten Holzboden und dem niedrigen, gedrechselten Geländer, beinahe unsichtbar in die Fassade des Hauses eingelassen – unser privates Observatorium. Wir tranken literweise Beaujolais und diskutierten über die Möglichkeit außerirdischen Lebens. Aber irgendwann hatten wir zu viel zu tun, das Wetter verschlechterte sich, und wir vergaßen die ganze Chose.
    In architektonischer Hinsicht könnte West Adams jede beliebige Stadt der USA sein, was wohl der Grund dafür ist, dass so viele Szenen für Film und Fernsehen hier gedreht werden. Das Banken- und Geschäftszentrum Koreatown liegt im Norden; South Centrals heruntergekommene Gettos schließen sich – ja, richtig geraten – im Süden an. Im Osten sieht man die Skyline der Innenstadt von Los Angeles, im Westen die wabernde Silhouette des afrozentrischen Crenshaw und des industrialisierten Culver City.
    Mittendrin, entzweigeschnitten durch zehn Spuren nie nachlassenden Verkehrs auf dem Santa Monica Freeway, liegt West Adams, eine etwa zehn mal zwölf Häuserblocks große Enklave der unterschiedlichsten historischen Wohnhäuser. Hier sieht man viktorianische Häuser für neunhunderttausend Dollar nur wenige Schritte entfernt von heruntergekommenen Apartmentblöcken mit dem Rasen voller Babywindeln. Dieselben zwanzig Meter hohen, schlanken Palmen wiegen sich vor verwahrlosten Crackhäusern mit einem einzigen Schlafzimmer und dem restaurierten Queen-Anne-Herrenhaus der Besitzer eines aufstrebenden Modelabels. Eine fünffarbige »Painted Lady«, wie die bunten viktorianischen Holzhäuser genannt werden, kann siebenhundertfünfzigtausend Dollar bringen, trotz bröckelnder Ziegelfundamente; ein einfacher Bungalow mit sechs Schlafzimmern zwei Straßen weiter südlich ist vielleicht schon für drei-fünfzig zu haben, wegen seiner Nähe zur Einkaufsmeile mit Kirche, Schnapsladen, Pornovideoschuppen, Brathähnchenbude, Nagelstudio.
    Uns hatte das aufstrebende Viertel gereizt, aufgepeppt von schon lange hier ansässigen, refinanzierenden Hispanos und Schwarzen, nach und nach veredelt durch junge, aufstrebende Neuankömmlinge unseren Schlags, selbst ernannten Künstlern und Unternehmern, die nicht mit einer

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