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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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meinst du, was die Alten Eingeborenen denken werden?«
    »Du hast sie gewähren lassen?«
    »Sie haben es mir erst danach gesagt. Sie haben mir keine Wahl gelassen.« Ihre Stimme wurde weich, und die Lippen fingen an zu zittern. »Ich habe ihnen gesagt, was dein Wille war. Sie taten das, was, wie sie sagten, zuerst getan werden mußte. Und dann kam Ras Mishiney… zu einem Freundschaftsbesuch, wie er sagte.« Sie fuhr sich mit der Hand über eine feuchte Wange. »Er hat ihnen befohlen, das Implantat einzusetzen. Er sagte, es müsse drin bleiben, bis die Krise überstanden wäre.«
    Lanier legte sich wieder rücklings auf die Felder und schloß die Augen.
    Er sagte: »Es tut mir leid.«
    »Ich dachte, du wärst tot.« Sie stand auf, setzte sich dann wieder und bedeckte beide Wangen mit den Händen, die Augen fest geschlossen. »Ich dachte, wir könnten niemals entscheiden… was…«
    Er griff nach ihrem Arm, aber sie stieß seine Hand fort.
    »Es tut mir leid«, wiederholte er und griff erneut nach ihrem Arm. Diesmal verwehrte sie ihm die Berührung nicht. »Ich bin selbstsüchtig gewesen.«
    »Du bist ein Mann mit Prinzipien gewesen. Ich habe dich geachtet und hatte Angst vor mir selbst.«
    »Auch ein Mann mit Prinzipien kann selbstsüchtig sein.«
    Sie schüttelte den Kopf und nahm seine Hand in die ihre. »Du hast gemacht, daß ich mich schuldig fühle. Nach allem, was wir für die Erde getan haben, nicht dessen… Erschwernisse zu teilen.«
    Er schaute zum Fenster des Schlafzimmers. Es war Nacht. »Was ist geschehen?« fragte er.
    »Sie erzählen uns nicht alles. Ich glaube, daß sie dicht vor der Wiederöffnung stehen.«
    Er versuchte aus dem Bett zu kommen, aber die lange Genesungszeit hatte ihn geschwächt, und er gab diese Anstrengung auf. »Ich möchte gern mit dem Administrator sprechen«, sagte er. »Wenn ich wichtig genug bin, um am Leben gehalten zu werden, bin ich vielleicht auch wichtig genug, mit ihm zu sprechen.«
    »Er will mit keinem von uns reden. Nicht richtig reden. Er steckt voller Gemeinplätze. Ich hasse sie jetzt so, Garry.«
     
    Was für ein Schock muß es gewesen sein, dachte Lanier. Er saß auf der Terrasse in Decken gehüllt, obwohl die Luft wärmer wurde. Sommer. Die Erde durchlief ihre Zyklen, roh, unkontrolliert, schön und häßlich. Was für ein Schock, wenn man aus dem perfekten, kontrollierten, rationalen Milieu des Weges kommt und engelgleich in das Elend der Vergangenheit hinabsteigt.
    Er nahm seinen Notizblock und besah sich auf dem Display, was er geschrieben hatte. Mürrisch und unbefriedigt tilgte er einige unklare Absätze und versuchte sich an die Worte zu erinnern, die er gerade im Kopf zusammengefügt hatte.
    Er schrieb: Sie brauchen uns nicht. Alles, was sie brauchen, ist der ›Stein‹ – Thistledown –, und wenn sie den Weg wieder öffnen, werden sie wieder einmal mehr haben, als sie benötigen.
    »Wenn nicht sogar mehr, als sie bewältigen können«, murmelte er. Seine Finger zitterten leicht über den Tasten des Notizblocks.
    Lanier hielt die Zeit für gekommen, alles niederzuschreiben, was er durchlebt hatte. Wenn er vom Schauplatz der Geschichte ferngehalten werden sollte, könnte er doch aufzeichnen, was er schon durchgemacht hatte. Sein Gedächtnis schien nach der Rekonstruktion schärfer zu sein, ein Gefühl, in dem er schwelgte, während er zugleich einen Gewissenbiß empfand. Sein Vorhaben konnte er ausführen, ob unter Arrest oder auch nicht. Im Laufe der Zeit würde das, was er aufgezeichnet hatte, vielleicht die Menschen beeinflussen. Sofern in ihm noch eine gewisse Tiefgründigkeit verblieben war.
    Was für ein Schock, begann er wieder, die Vergangenheit voller Leute zu finden, die nichts von psychologischer Medizin wußten, von Leuten, deren Gehirne so verkrümmt und verzerrt waren (er tilgte verzerrt), wie Natur und Verhältnisse konnten (er hielt inne, nachdem er sich vertan hatte. Fing wieder an)… Gehirne so verkrümmt wie die Körper von Menschen in alten Zeiten, gnomenhaft, geschrumpft, verwittert, häßlich, an ihren zerrissenen Persönlichkeiten hängend, ihre Entstellungen und Krankheiten begrüßend, verängstigt gegenüber einer befohlenen, genormten mentalen Gesundheit, die alle gleich machen könnte. Leute, zu ignorant, um zu sehen, daß es ebenso viele Varianten gesunden Denkens gibt, wie entsprechende Krankheiten, vielleicht noch mehr. Freiheit lag in Kontrolle und Korrektur, wie die neugeformten Terrestrischen Menschenwesen wußten.

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