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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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daß sich Anna, um die paar hundert Franken mehr zu verdienen, Tag für Tag bei ihrem schwierigen Dr. Wohlgemuth abschinden muß. Trotzdem hat man weniger zu klagen als die meisten andern Emigranten. Natürlich war das hübsche, behagliche Haus, das man in München hat zurücklassen müssen, angenehmer als die zwei tristen Zimmer des Hotels Aranjuez, wo er jetzt mit Anna und seinem Jungen haust. Aber sie sind zusammen, alle drei, und sie sind gesund. Seine Musik hat er in Paris so gut wie in München, seinen Schreibtisch hat er auch, sogar ein Piano, er kann arbeiten. Selbstverständlich würde er lieber, wenn er sich Ernsthaftes durch den Kopf gehen läßt, die Isar entlanglaufen als die Kais der Seine; aber schließlich fällt einem auch an der Seine was ein, und auch seinen besten, teilnahmsvollsten Hörer hat er mitnehmen können: Anna.
    Dazu hat er seine Politik. Sepp Trautwein ist seiner ganzen Art nach ein unpolitischer Mensch, er ist nichts als Musiker. Allein die Zeitläufte haben ihm in hartem Anschauungsunterricht beigebracht, daß man Musik ohne Politik nicht machen kann. Die Angriffe, die man im Lauf seiner letzten deutschen Jahre gegen ihn gerichtet hat, weil er sich für die Reform der Musikerziehung einsetzte, die Schwierigkeiten, die man ihm gemacht hat, als er an der Münchner Musikalischen Akademie seine »kulturbolschewistischen Theorien« vortrug, das alleshat ihm gezeigt, wie eng verbunden Kunst und Politik sind. Gute Musik und schlechte Politik vertragen sich nicht, das ist für ihn nicht mehr eine Meinung, das ist zu einem Teil seines Wesens geworden. Händel, Beethoven, selbst Wagner sind ihm anders denn als Revolutionäre nicht mehr denkbar; sie mußten Politik machen aus ihrer musikalischen Grundeinstellung heraus. Man kann sich vor der Politik nicht drücken, wenn die eigene Kunst nicht leiden soll. Seine Musik jedenfalls, wenn die klingen soll, dann muß reine Luft da sein. Und wenn reine Luft nicht da ist, dann muß man sie sich schaffen. Wie hat es ihn in diesen letzten deutschen Jahren gedrückt, daß er als Professor an der Staatlichen Akademie, als Beamter, gegen die aufziehende Barbarei nicht so von Herzen hat loswettern dürfen, wie er wollte. Diese Freiheit wenigstens hat er hier.
    Nein, alles in allem könnte es ihnen verdammt viel schlechter gehen. Aranjuez heißt das Hotel, in dem er wohnt, schwerlich unterläßt es einer seiner Besucher, den Schillervers zu zitieren von den schönen Tagen von Aranjuez, und wenn er dann immer wieder lachen muß über sein schäbiges Aranjuez, kommt dieses Lachen nicht aus Bitterkeit, sondern aus einem heitern Herzen.
    Anna hat gemerkt, daß er, während sie ihm auseinandersetzt, wie die Rundfunksache steht, nicht recht zuhört. Sie ist das gewöhnt. »Du solltest dich einmal wieder bei Pereyros sehen lassen«, sagt sie, und ihre Stimme klingt energisch. »Man findet nicht leicht Freunde im fremden Land, und Leute, die sich für einen einsetzen, schon gar nicht. Die Pereyros haben Einfluß und benehmen sich anständig. Man sollte sie nicht vor den Kopf stoßen.«
    Er knurrt unlustig. »Du weißt doch«, sagt er, »wie zuwider es mir ist, wenn ich zu ›Leuten‹ gehen soll. Ich mag halt einmal keine Mäzene. Wenn aus der Rundfunkaufführung was wird, tant mieux. Wenn nicht, dann nehme ich es auch nicht tragisch.« Schon während er so grantelt, tut es ihm leid. Sie schindet sich ab, um die Geschichte zustande zu bringen; ermüßte das anerkennen. »Red doch nicht solchen Quatsch«, gibt sie denn auch zurück, ungekränkt und resolut, »du weißt doch selber, was es für ein Schlag wäre, wenn nichts daraus würde.« Dabei denkt sie auch ans Honorar. Er, verträglich, murmelt etwas, das sie als Zustimmung auffassen kann. Aber im stillen denkt er, recht habe doch er, und zuletzt komme er mit seiner süddeutschen Gemütlichkeit wahrscheinlich weiter als sie mit ihrem norddeutschen Betrieb.
    Eine Zeitlang liegen beide schweigend. Es kommt oft vor, daß er ihr auf solche Art recht gibt, aber sie weiß, daß er nur aus Bequemlichkeit ausweicht; er liebt keine Auseinandersetzungen. Wenn sie das nächste Mal von der Rundfunkaufführung anfängt, redet er dann genauso zerstreut und gedankenlos daher wie jetzt. Man hat es nicht leicht mit ihm. Er ist so furchtbar eigensinnig, der richtige Münchener Dickschädel, und will es einfach nicht kapieren, daß man ein bißchen Mühe auf sich nehmen muß, um sich hier wieder Boden zu schaffen.
    Den Pereyros

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