Exodus
begeisterte.«
»Ach, und vielleicht möchtest du dich jetzt auch nach jemanden nennen, für den du als Junge geschwärmt hast — vielleicht nach Jesus Christus?«
»Du bist unmöglich, Sara!« fauchte Yossi, stand auf und ging
wütend hinein.
»Wenn du gelegentlich noch in die Synagoge gingest«, sagte Sara, die ihm nachgegangen war, »dann wüßtest du, daß Hebräisch die Sprache ist, in der man mit Gott redet.«
»Sara — ich frage mich manchmal wirklich, weshalb du dir die Mühe gemacht hast, von Schlesien hierherzukommen. Wenn wir als Nation denken und handeln sollen, dann müssen wir auch wie eine Nation sprechen.«
»Das tun wir ja auch. Unsere Sprache ist Jiddisch.«
»Jiddisch ist die Sprache des Exils, die Sprache des Ghettos, Hebräisch aber ist die Sprache aller Juden.«
Sie drohte ihrem Mann, der groß wie ein Riese war, mit dem Finger. »Verschone mich mit zionistischer Propaganda, Yossi. Für mich wirst du Yossi Rabinski sein und bleiben, solange ich lebe.«
»Ich habe meinen Entschluß gefaßt, Sara. Ich gebe dir den guten Rat, dein Hebräisch aufzufrischen. Denn das ist die Sprache, die wir von jetzt an sprechen werden.«
»Das ist ja vollkommener Blödsinn, dieser Entschluß!«
Yossi hatte lange gebraucht, ehe er Ben Jehuda und den anderen zustimmte. Aber sie hatten recht: die hebräische Sprache mußte wieder zum Leben erweckt werden. Wenn das Verlangen nach nationaler Einheit stark genug war, dann mußte es auch möglich sein, einer toten Sprache neues Leben zu verleihen.
Doch Sara hatte ihren eigenen Kopf. Sie sprach Jiddisch, denn Jiddisch hatte bereits ihre Mutter gesprochen. Sie hatte nicht die Absicht, in ihrem Alter noch einmal die Schulbank zu drücken. Eine Woche lang schloß sich Sara abends im Schlafzimmer ein. Doch Yossi war nicht gewillt, nachzugeben. Drei Wochen lang sprach er mit Sara nur Hebräisch, und sie antwortete Jiddisch.
»Yossi«, rief sie eines Abends, »Yossi, komm doch mal her und hilf mir.«
»Verzeihung«, sagte Yossi. »Hier in diesem Hause gibt es niemanden mit Namen Yossi. Solltest du etwa mich meinen«, fuhr er fort, »mein Name ist Barak — Barak ben Kanaan.«
»Barak ben Kanaan!«
»Ja«, sagte er. »Ich habe lange nachgedacht, um den richtigen Namen zu finden. Die Araber pflegten meinen Ochsenziemer den ,Blitz' zu nennen, und auf hebräisch heißt Blitz ,Barak'. Außerdem hieß Deborahs General so. Und Kanaan nenne ich mich, weil ich den Berg Kanaan nun einmal liebe.«
Sara schlug die Tür mit einem Knall zu und drehte den Schlüssel um.
Yossi rief von draußen: »Ich war glücklich, damals auf dem Berge Kanaan! Denn damals hatte ich noch kein halsstarriges Weib! Gewöhne dich daran, Sara ben Kanaan — Sara ben Kanaan!«
Yossi, nunmehr Barak, hatte von neuem keinen Zutritt zum Schlafzimmer. Eine geschlagene Woche lang sprachen die beiden kein Wort miteinander.
Einen Monat, nachdem der Streit zwischen ihnen ausgebrochen war, kam Barak eines Abends von einer sehr anstrengenden dreitägigen Sitzung in Jerusalem nach Hause zurück. Es war schon spät in der Nacht, er war erschöpft und müde. Er suchte Sara, um ihr bei einer Tasse Tee alles berichten zu können.
Doch die Tür zu ihrem Zimmer war verschlossen. Er seufzte, zog sich die Schuhe aus und legte sich auf das Sofa. Er war so groß, daß seine Beine über die Armlehne hingen. Er war müde und hätte gern in seinem Bett geschlafen. Es tat ihm leid, daß er die ganze Sache angefangen hatte. Kurz bevor ihn der Schlaf übermannte, entdeckte er plötzlich einen Lichtstrahl, der unter der Tür zum Schlafzimmer herausfiel. Sara kam leise heran, kniete sich neben ihm hin und legte ihren Kopf an seine Brust.
»Ich liebe dich, Barak ben Kanaan«, flüsterte sie in einwandfreiem Hebräisch.
Es gab viel Arbeit für Barak ben Kanaan in der funkelnagelneuen Stadt Tel Aviv. Er war ein einflußreicher Mann in der Zionistischen Siedlungsgesellschaft. Dauernd mußte er zu Versammlungen oder zu Verhandlungen mit den Türken und den Arabern, die viel Fingerspitzengefühl verlangten. Er verfaßte schriftliche Abhandlungen über wichtige politische Fragen, und häufig fuhr er mit Sara zum Zentralbüro der Zionisten nach London oder in die Schweiz zu den internationalen Zionistenkongressen.
Doch das Glück, das sein Bruder Akiba in Schoschana gefunden hatte, gab es für Barak nicht. Mit seinem Herzen war er beständig in dem Land nördlich vom Berge Kanaan, im Hule-Tal. Sara liebte ihn sehr und verstand
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