Exodus
stumm.
Kitty stand langsam auf und sah ihn an. »Ich will das nicht, Ari. Ich mag nicht, daß man mich einfach schwach macht und nimmt. Vermutlich lag es nur an dem Mondschein —.«
»Ich hatte wirklich nicht angenommen, daß ich einer widerspenstigen Jungfrau den Hof machte«, sagte er.
»Ari, bitte —.«
»Ich habe keine Zeit für Spiele und Koseworte. Ich bin ein erwachsener Mann, und Sie sind eine erwachsene Frau.«
»Wie gut Sie es zu formulieren verstehen.«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mich jetzt entfernen«, sagte er kühl.
Kitty zuckte zusammen, als er die Tür mit einem Ruck geschlossen hatte. Lange stand sie an der Balkontür und sah auf das Wasser hinaus. Der See war böse, und der Mond verschwand hinter einer dunklen Wolke.
Kitty war wie betäubt. Warum war sie vor ihm geflohen? Noch nie hatte sie für einen Mann ein so starkes Gefühl gehabt, und noch nie hatte sie wie hier die Herrschaft über sich selbst so völlig verloren. Sie war überzeugt, daß Ari ben Kanaan kein ernstliches, tiefes Verlangen nach ihr hatte. Für eine Nacht, ja, aber sonst brauchte er sie nicht, und noch nie hatte ein Mann sie so behandelt wie er.
Doch dann wurde ihr klar, daß es gerade ihr starkes Gefühl für ihn war, wovor sie geflohen war, diese Sehnsucht nach Ari, die imstande war, sie dazu zu bringen, in Palästina zu bleiben. Sie durfte es nie wieder so weit kommen lassen. Sie war entschlossen, mit Karen nach Amerika zurückzukehren, und nichts sollte sie daran hindern! Sie war sich klar darüber, daß sie vor Ari Angst hatte; denn Ari konnte ihr gefährlich werden. Falls er nur die geringsten Anzeichen dafür erkennen ließ, daß er sie wirklich liebte, dann würde sie kaum die Kraft haben — doch der Gedanke an seine Kälte und Härte bestärkte sie in ihrem Entschluß, fest zu bleiben, gab ihr die Sicherheit wieder und machte sie, seltsamerweise, gleichzeitig traurig.
Sie warf sich auf ihr Bett und fiel in einen Schlaf der Erschöpfung, während der Wind, der über das Wasser herankam, an ihrem Fenster rüttelte.
Am nächsten Morgen war es windstill, und der See war wieder glatt. Kitty schlug die Decke zurück, sprang aus dem Bett, und ihr fiel alles wieder ein. Sie errötete. Was geschehen war, erschien ihr jetzt nicht mehr so schrecklich, doch sie war beschämt. Sie hatte eine Szene gemacht, und zweifellos hatte Ari das Ganze reichlich dramatisch und zugleich kindisch gefunden. Es war alles ihre Schuld gewesen; sie wollte es wiedergutmachen, indem sie sich mit ihm in aller Ruhe und mit aller Klarheit auseinandersetzte.
Sie zog sich rasch an und ging in den Frühstücksraum hinunter, um auf Ari zu warten. Sie überlegte sich die Worte, mit denen sie ihn um Entschuldigung bitten wollte.
So saß sie eine halbe Stunde, trank ihren Kaffee und wartete. Ari kam nicht. Sie drückte die dritte Zigarette im Aschenbecher aus und ging durch die Halle zum Empfang.
»Haben Sie Mr. Ben Kanaan heute früh gesehen?« fragte sie den Portier.
»Mr. Ben Kanaan ist um sechs Uhr weggefahren.«
»Hat er gesagt, wohin?«
»Mr. Ben Kanaan sagt nie, wohin er fährt.«
»Vielleicht hat er irgendeine Nachricht für mich hinterlassen?«
Der Portier drehte sich um und zeigte auf das leere Schlüsselfach. »Ich sehe schon—ja, also — besten Dank.«
Dov Landau fand ein Zimmer in einem viertklassigen Hotel in der Jerusalemer Altstadt. Wie man ihm geraten hatte, begab er sich in das auf der Nablus-Straße gelegene Saladin-Cafe und hinterließ dort seinen Namen und seine Hoteladresse zur Weiterleitung an Bar Israel.
Er versetzte die goldenen Ringe und Armbänder, die er in Gan Dafna gestohlen hatte, und ging daran, sich in Jerusalem zu orientieren. Für die Ghetto-Ratte und den einstigen Meisterdieb von Warschau war das eine Kleinigkeit. Innerhalb von drei Tagen kannte Dov jede Straße und jede Gasse in der Altstadt und den umliegenden Geschäftsvierteln. Mit seinen scharfen Augen und seinen flinken Händen brachte er genügend Wertgegenstände an sich, um seinen Lebensunterhalt damit bestreiten zu können. Sich durch die engen Gäßchen und die überfüllten Basare zu verdrücken, war für ihn geradezu lächerlich einfach.
Einen großen Teil seines Geldes gab er für Bücher und Zeichenmaterial aus. In den vielen Buchhandlungen der Jaffa-Straße suchte er nach Büchern über Kunst, Architektur und Planzeichnen. Mit seinen Büchern und seinem Zeichenmaterial, ein paar getrockneten Früchten und einigen
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