Exodus
jeder loyale Däne das gleiche tut.«
Am nächsten Tag trug fast die gesamte Bevölkerung von Kopenhagen Armbinden, auf denen der Davidstern zu sehen war.
Am Tag darauf hoben die Deutschen ihre Anordnung wieder auf. Aage selbst war nicht aktiv in der Widerstandsbewegung tätig, doch seine Kollegen, mit denen er assoziiert war, standen an führender Stelle. Daher war er ziemlich genau darüber informiert, was vorging. Im Spätsommer 1943 wurde er sehr unruhig und fand, er müsse nun mit Meta zu einem Entschluß kommen, was mit Karen geschehen sollte.
»Ich weiß es positiv«, sagte er zu seiner Frau. »Im Lauf der nächsten Monate werden die Deutschen alle Juden in Dänemark abholen. Wir kennen nur den genauen Zeitpunkt noch nicht, zu dem die Gestapo zuschlagen wird.«
Meta Hansen ging ans Fenster und starrte hinaus, hinunter auf das Wasser und die Brücke zur Altstadt. Es war Abend, Karen würde bald aus der Ballettschule nach Hause kommen. Meta hatte den Kopf mit allen möglichen Plänen und Vorbereitungen für Karens dreizehnten Geburtstag vollgehabt. Es sollte alles ganz wunderbar werden — mit vierzig Kindern, im Tivoli.
Aage steckte sich die Pfeife an und sah auf Karens Bild, das auf seinem Schreibtisch stand. Er seufzte.
»Ich kann sie nicht weggeben«, sagte Meta.
»Wir haben kein Recht —.«
»Das ist doch etwas ganz anderes, sie ist keine dänische Jüdin. Wir haben Papiere, aus denen hervorgeht, daß sie unsere Tochter ist.« Aage legte seiner Frau die Hand auf die Schulter. »Irgend jemand in Aalborg könnte die Deutschen informieren.«
»Man wird sich doch nicht diese Mühe machen — um ein Kind.« »Kennst du diese Leute noch immer nicht?«
Meta drehte sich herum und sagte: »Wir lassen sie taufen und adoptieren sie.«
Aage schüttelte langsam den Kopf. Seine Frau sank in einen Sessel und biß sich auf die Lippe. Sie umklammerte die Armlehne so krampfhaft, daß ihre Hand weiß wurde. »Was wird werden, Aage?« »Sämtliche Juden sollen heimlich an die Seeländische Küste gebracht werden, in die Nähe des Öre-Sunds. Wir sind dabei, alle Fahrzeuge, die wir bekommen können, aufzukaufen für die Überfahrt nach Schweden. Die Schweden haben uns Nachricht zukommen lassen, daß sie bereit sind, alle aufzunehmen und für sie zu sorgen.«
»Wie viele Nächte habe ich wachgelegen und an diese Möglichkeit gedacht. Ich habe mir einzureden versucht, daß sie in größerer Gefahr ist, wenn sie fliehen muß. Und ich sage mir immer wieder, daß sie sicherer ist, wenn sie hier bei uns bleibt.«
»Überlege dir, was du sagst, Meta.«
Sie sah ihn mit einem Ausdruck der Verzweiflung und der Entschlossenheit an, wie er ihn bei ihr noch nie gesehen hatte. »Nie und nimmer werde ich Karen weggeben, Aage. Ich kann ohne sie nicht leben.«
Alle Dänen, die mitzumachen gebeten wurden, setzten ihre ganze Kraft ein. Die gesamte jüdische Bevölkerung Dänemarks wurde heimlich nach dem Norden von Seeland gebracht und hinübergeschmuggelt nach Schweden, wo sie in Sicherheit war. Kurze Zeit darauf machten die Deutschen in ganz Dänemark eine Razzia, um die Juden abzuholen. Sie fanden keine mehr vor.
Karen blieb in Kopenhagen. Obwohl ihr auch in der Folge nichts geschah, trug Meta doch schwer an der Verantwortung, die sie auf sich genommen hatte. Die deutsche Besatzung wurde für sie ein einziger Angsttraum. Jedes neue Gerücht löste eine Panik bei ihr aus. Drei- oder viermal floh sie mit Karen aus Kopenhagen zu Verwandten in Jütland.
Aage schloß sich der Widerstandsbewegung an und wurde immer aktiver. Jede Woche war er drei bis vier Nächte nicht zu Haus. Für Meta waren es lange und schreckliche Nächte.
Der dänische Widerstand, dessen Kräfte inzwischen zusammengefaßt und auf bestimmte Ziele gerichtet waren, konzentrierte seine Energie auf die Zerstörung der deutschen Transportwege. Es verging kaum eine halbe Stunde, ohne daß irgendwo eine Eisenbahnstrecke unterbrochen wurde. Bald war das gesamte dänische Eisenbahnnetz von den Trümmern und Wracks der in die Luft gesprengten Züge gesäumt.
Die HIPOS rächten sich, indem sie das Tivoli sprengten, den Lieblingsort aller Kopenhagener.
Die Dänen riefen zum Generalstreik gegen die Deutschen auf. Sie gingen in Massen auf die Straßen und errichteten in ganz Kopenhagen Barrikaden, von denen dänische, amerikanische, englische und russische Fahnen wehten.
Die Deutschen verhängten den Belagerungszustand über Kopenhagen.
Reichskommissar Best brüllte
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