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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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wieder befestigten, hing das windgefüllte Großsegel im Bogen vor dem hohen Papyrusbug herunter. Sofort steuerte es sich leichter. Die Ra II fuhr mit hoher Geschwindigkeit weiter nach Westen. Wir hörten bald auf zu sinken, als genug Papyrus unter Wasser war, um die neue Ladung zu tragen, die wir in Form von unerwünschtem Meerwasser an Deck gespült bekamen. Als fünf Wochen nach dem Start vergangen waren, sanken wir nicht mehr; aber wir lagen auch so tief, daß unser Deck in ruhigem Wasser kaum über die Wasserfläche ragte, und von jetzt ab wuchsen Entenmuscheln auf dem Papyrusdeck, außen an der Rückwand der Hütte. Madani fischte weiter täglich Ölklumpen.
    An einem Tag mit Regen und wilden Windstößen hakte sich das Segel am Bug fest und drehte ihn schräg; gleichzeitig ging der Segeltuchsaum an der Unterkante auf. Jetzt war nach dem Boden des Bootes das Segel für uns am wichtigsten, und nachdem wir uns beratschlagt hatten, beschlossen wir, den stattlichen, hocherhobenen Bug zu opfern. Carlo ließ sich vorn im Schneidersitz nieder und begann, an unserem Fahrzeug zu sägen, bis ihm der Schweiß herunterlief. Sicherheitshalber banden wir einen Stropp um den Bug, damit nicht das ganze Schilfboot auseinanderging, wenn die beiden Spiraltaue zusammen mit dem Endstück des Bootes gekappt wurden. Aber die Indianer behielten recht: Das Tau war in den Schlingen um das kleine Mittelbündel festgeklemmt, und wir konnten es auch mit Gewalt nicht losziehen. Die Papyrusbinsen waren fest eingeklemmt und angeschwollen, so daß die Schnittfläche wie eine durchgeschnittene Riesenzwiebel aussah, als unser Steven fiel. Die Ra II erhielt sogleich eine weniger moderne Linie; durch die Hüttenwand konnten wir plötzlich vorn unter dem Segel den ganzen Horizont sehen, die Arche hatte plötzlich die Glieder gestreckt, damit wir vorn besser nach Land ausspähen konnten.
    Wenige Tage darauf beschlossen wir, auch den Achtersteven abzusägen. Nachdem der Bug gefallen war, wirkte er allein wie ein Segel, das sich dicht vorm Wind hält, und machte den Kurs unsicher; überdies mußten wir unnötiges Gewicht abwerfen. Mit gemischten Gefühlen entfernten wir den Bogenstrang von der oberen Spitze des Schwanzkringels und versetzten ihn nach unten an den übriggebliebenen flachen, breiten Hühnerbürzel. Aber kein Eingriff schien die unübertroffene Stabilität dieses Fahrzeugs verändern zu können. Einer nach dem anderen ließ sich am Tau über Bord, um beruhigt wieder aufzutauchen und begeistert zu berichten, daß die Ra unter Wasser unverändert war, ebenso fest, ebenso unversehrt. Nicht eine Binse und kein einziges Tau hatten ihre Lage verändert, die Unterseite war nur mit lebenden Muscheln wie mit kleinen schwarzen und weißen Pilzen mit wehenden gelben Kiemenfäden bedeckt.
    Die kleine Amateurfunkstation wurde diesmal seltener aus der Kiste geholt als auf der vorigen Fahrt. Wir nahmen an, daß die Familien zu Hause jetzt ruhiger waren, und wollten sie nicht beunruhigen. Aber in der letzten Hälfte des zweiten Monats waren wir so weit gekommen, daß wir ungefähr Zeit und Ort der Landung bestimmen konnten. Yvonne packte unverzüglich die Koffer und flog mit den Kindern nach Barbados.
    Nicht lange darauf bekam Norman mit einem Amateurfunker auf Barbados Verbindung, und wir hörten Yvonnes Stimme. Sie stellte sechs verblüffende technische Fragen über die Fauna, die unter den Schilfbündeln mitreiste, und erklärte, die Fragen interessierten den Leiter eines marine-biologischen Projekts, das die Entwicklungshilfe der Vereinten Nationen gegenwärtig auf Barbados stationiert hatte. Wir konnten über unser treues Gefolge kleiner Freunde berichten, das mit uns unter dem Schilfboden schwamm: ein paar Makrelen, die rings um uns die fliegenden Fische jagten, große Scharen Seevögel aus Südamerika, die wie treibende Wolken in Süden und Westen über dem Horizont kreisten, glitzernde Thunfische, die wie Silberraketen aus dem blauen Meer schossen. Am nächsten Tag berichtete der Funkamateur, wir könnten den Besuch eines Forschungsschiffs der UN erwarten.
    Am 25. Juni kam eine braune Libelle mit vier Flügeln an Bord geflogen. Waren wir dem Land so nahe? Oder war das große Insekt mit einem Boot hergekommen, das hinten am Horizont vorbeigefahren war? Seit uns einige Schiffe in dem Verkehr vor Afrika beinahe in den Grund gefahren hatten, waren wir erstaunlich wenig Fahrzeugen begegnet.
    Wir befanden uns nun in voller Fahrt in das Gebiet hinein,

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