Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Spirale gedreht und im Zickzack gefaltet war. Ein verärgerter alter Araber hatte es am selben Vormittag weggeworfen. Er hatte es zwischen den Fingern gerieben, ehe er es in den Sand schleuderte, danach spuckte und verächtlich darauf zeigte. »Das da«, sagte er, »das kann nicht mal einen Spieker halten; und wie soll man an so was Mäste befestigen?« Der Alte war ein erfahrener Bootsbauer, der mit dem Bus von Port Sa'id heraufgekommen war, um einen Vertrag über Mast und Takelung für unser Fahrzeug abzuschließen. Er wurde so zornig, daß er den nächsten Bus zurück zur Küste nahm. Ob wir einen rechtschaffenen Handwerker zum besten halten wollten, oder wußten die Menschen heute überhaupt nichts davon, was dazu gehörte, eine anständige Schute zu bauen? Es nützte nichts, ihm zu erklären, daß hier in der Wüste solche Boote in großer Anzahl auf die Grabwände der alten Pyramidenbauer gemalt waren. Da fand man ja auch Menschen mit Vogelköpfen und Schlangen mit Flügeln abgebildet. Jeder sah doch, daß ein Schilf ein weicher Blumenstengel war, in dem man weder Nägel noch Schrauben befestigen konnte. Ein Heuschober. Ein Papierboot.
Jetzt standen wir da. Die Schute brauchte Masten. Unsere drei schwarzen Freunde vom Tschadsee im Herzen Afrikas beteuerten, der Bootsbauer sei ein Idiot und könne niemals einen anständigen Kaday gesehen haben, denn die waren immer aus solchem Schilf gebaut. Mäste dagegen hätten auch sie noch nie auf einem Kaday gesehen, und sie seien auch ganz überflüssig; man benutzte Paddel, um sich auf dem Wasser fortzubewegen. Der Tschadsee war groß, und sie beteuerten, das Meer könne nicht größer sein. In stoischer Ruhe fuhren sie fort, die Papyrusbündel zusammenzubinden. Das war ihre Spezialität. Der Araber aus Port Sa'id war ja ein unwissender Angeber und hatte niemals einen Kaday gesehen.
Ich ging wieder zum Zelt hinauf und kramte aus der Tasche Skizzen und Fotografien von alten ägyptischen Modellen und Wandmalereien hervor. In Papyrusbooten gab es keine Nägel oder Spieker. Dort, wo der Mast stehen sollte, war eine dicke und breite Fußplatte mit Tauen auf den Schilfbündeln festgezurrt, und in den soliden Holzblock war der untere Teil vom Mast eingelassen und festgebunden. Ich schob die Zeichnungen beiseite und legte mich rücklings auf einen Hügel, wo Seile und Segeltuch an einer Zeltwand entlang gestapelt waren. Hier war es kühler, und ich konnte nachdenken. Worauf hatte ich mich eigentlich eingelassen, und welchen Grund hatte ich zu glauben, ein solches Fahrzeug sei außerhalb der Nilmündung zu gebrauchen? Ich gestand mir ein, daß mein Argwohn eher auf Intuition als auf konkreten Fakten beruhte.
Damals, als ich beschloß, das Kon-Tiki-Floß aus Balsastämmen zu bauen, hatte ich ganz andere Anhaltspunkte. Ich hatte noch nie ein Stück Balsaholz gesehen und noch nie ein Boot gesteuert, geschweige denn ein Floß. Aber ich besaß eine Theorie, solide Indizien und eine logische Folgerung. Dieses Mal hatte ich nichts von alledem. Damals besaß ich ein dickes Manuskript. Es war mit Annahmen gespickt, die ich als sichere Beweise dafür ansah, daß Perus ältestes Kulturvolk lange vor jedem anderen Volk mit seiner eigenartigen Kultur den Weg nach Polynesien gefunden hatte. Wir wußten, daß ein Balsafloß dem »Boot«, wie es die Urbevölkerung Perus auf dem Meer benutzte, am nächsten kam. Ich schloß also daraus, ein Balsafloß müsse seetüchtig und imstande sein, Menschen und Kulturpflanzen von Peru nach Polynesien über das Meer zu befördern. Andere Argumente hatte ich nicht. Aber die Folgerung erwies sich als richtig.
Dieses Mal war es anders. Ich besaß keine Theorie darüber, daß die Ägypter ihre Kultur zu fernen Inseln oder Kontinenten gebracht hatten. Obschon viele Leute glauben, die Ägypter hätten lange vor Kolumbus Kulturimpulse in das tropische Amerika gebracht, so hatte ich doch nie einen Beweis dafür gefunden - allerdings auch keinen Gegenbeweis. Das Problem faszinierte mich, aber ich konnte keine befriedigende Lösung erkennen. Der Wissenschaft fehlten allzu viele Steinchen in dem Mosaik. In der Chronologie gab es große Lücken und unerklärliche Unstimmigkeiten, und es gab ein Meer, zehntausendmal breiter als der Nil.
Um sich auf dem Wasser fortzubewegen, hatten die Ägypter des Altertums ursprünglich nur Boote aus Papyrusschilf besessen. Später bauten sie lange Segelschiffe aus verzapften und vernähten Planken, auf hoher See lebensgefährlich,
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