Exponentialdrift - Exponentialdrift
Aussagen her zum Glück einigermaßen zusammen.
Ich verwendete einige Gedanken an die Größe der Verschwörung. Allzu große Verschwörungen neigen vermutlich dazu, aufzufliegen, deshalb suchte ich nach Wegen, den Kreis so klein wie möglich zu halten. Schließlich verfiel ich darauf, einen Zirkel von vier Freunden zu postulieren, die sich in ihrer Jugend das Ziel gesetzt hatten, die Menschheit durch die Vortäuschung einer außerirdischen Bedrohung zu einigen, dieses Ziel tatsächlich ins Erwachsenenalter hinübergerettet und mit unermüdlicher Energie verfolgt hatten. Ein wenig phantastisch, zugegeben, aber für derlei hat man die Literatur ja schließlich.
Aus purem Jux und Dollerei beschloß ich, den Schriftsteller Peter Eisenhardt in den Kreis der Verschwörer aufzunehmen, meinen Lesern schon aus »Das Jesus Video« bekannt und seither im Verdacht lebend, mein Alter ego zu sein (er ist es nicht, anbei bemerkt). Seltsamerweise fand das niemand seltsam; in all den E-Mails, die mich erreichten, während der Fortsetzungsroman in der FASZ lief, wurde ich kein einziges Mal darauf angesprochen.
Wie sollte es ablaufen? Die vier Freunde hatten alles vorbereitet, und sie waren kurz davor, die Sache steigen zu lassen. Sie standen vor demselben Problem wie ich, nämlich einen Tag dafür festzulegen.
Ich studierte den Kalender, überschlug die Schritte, die in der Handlung noch notwendig sein würden, und fing im Mai, Juni und Juli an, nach einem passenden Datum zu suchen. Ich wollte den Stichtag unbedingt auf einen Montag legen, damit ich die Leser der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am Tag davor darauf aufmerksam machen konnte: Morgen, Leute, ist es soweit! Da melden sich die Außerirdischen!
Und jeder würde sich fragen, was ich mir einfallen lassen würde, falls sie sich dann doch nicht meldeten. Womit man ja rechnen mußte.
Ich peilte schließlich den 3. Juni 2002 an. Kein besonderes Datum, kein Jahrestag von irgend etwas, das mir bedeutsam erschien, ein Tag wie jeder andere. Aber, so fiel mir ein, das war ja im Sinne der Sache – unverdächtig nämlich.
Da meine Viererbande sich, anders als ich, jeden beliebigen Tag hätte aussuchen können, ließ ich sie ihren Beschluß mit einem eigenen Jahrestag begründen, was vertretbar war, weil den niemand außer ihnen kannte. Beim Blättern in meinen diversen Chroniken des 20. Jahrhunderts war ich darauf gestoßen, daß 1974 um diese Zeit die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland stattgefunden hatte, und so machte ich flugs einen der vier zum Fußballfan, der sich begeistert daran erinnerte, und schon war dieses schöne Detail zwanglos eingebunden.
Doch Fußball-Ignorant, der ich bin, entging mir in diesem Zusammenhang völlig, daß auch 2002 um diese Zeit wieder Fußballweltmeisterschaft sein würde.
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Geschenke des Zufalls
D IE GANZE ZEIT, während der Fortsetzungsroman lief, war mir, als versorge mich das Schicksal wohlwollend mit Hintergrundmaterial, Anregungen und passenden Zufällen.
Nehmen wir zum Beispiel den 28. November 2001. An dem Tag hatte ich eine Lesung in Mönchengladbach, und nach einer längeren, einigermaßen umständlichen Reise von Jülich her, wo ich am Tag zuvor gelesen hatte, erreichte ich endlich das Hotel. Das hatte mir diesmal mein Verlag spendiert, und man hatte sich nicht lumpen lassen. Nach einer herrlichen Dusche ließ ich mich in einen herrlichen Sessel sinken, drückte die Fernbedienung, der Fernseher ging an ... und ich sah zwei amerikanische Astronomen, die gerade erklärten, wie sie nicht nur festgestellt hatten, daß der 150 Lichtjahre entfernte Stern HD209458 im Sternbild Pegasus einen Planeten von der Größe des Jupiter besitzt, sondern auch, daß dieser eine natriumhaltige Atmosphäre aufweist.
Das kam mir wie gerufen. Ich hatte schon die ganze Zeit hin und her überlegt, daß Bernhard Abel endlich einfallen mußte, wer er war – ein Außerirdischer im Körper eines Menschen nämlich –, und nach einem geeigneten Auslöser gesucht, der diese Erkenntnis sich Bahn brechen lassen sollte. Ich war schon fast entschlossen, ihn in eine klare Nacht zu schicken, damit ihm unter dem majestätischen Sternenzelt ... und so weiter ... Aber das hier war natürlich viel besser. Das würde ich verwenden.
Und ich verwendete es auch. Die Szene, die ich in Folge 11 schildere, entspricht ungefähr der, die ich im Hotel Elisenhof in Mönchengladbach erlebt habe.
Gut, man mag einwenden, daß in letzter Zeit ohnehin laufend neue
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