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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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gerade Death in the Caribbean. Trotzdem hat Nick Nachmittage damit verbracht, diesen blöden geheimen Raum zu suchen - obwohl das eigentlich gegen unsere Ballermann-Regel verstößt, kein Game, das mehr als Zielen und Schießen verlangt, zu spielen. Seitdem ist er geradezu besessen davon, Ostereier in allen möglichen Medien zu finden - vom echten Leben mal ganz abgesehen. Aber da ich weiß, wie gerne er das Thema mag, stachele ich ihn zu einer Vorlesung an: »Jap, ein klassisches Easter Egg, undokumentiert und abseits des vorgegebenen Pfades.« Normalerweise würde Nick an dieser Stelle richtig loslegen und ungefähr zwanzig Beispiele runterbeten, in denen das auch so ist oder eben nicht. Er würde beginnen mit dem geheimen Wolfenstein-Level in Doom II, zum ich-weiß-nicht-wievielten Mal vom Indiana-Jones-Raum in Duke Nukem 3D erzählen, dann auf dem versteckten X-Wing-Fighter in Monkey Island rumreiten und so weiter und so fort. Da er sich, wie ich übrigens auch, nur selten an das erinnert, was er schon mal erzählt hat, kann sich dieser Vortrag sehr lange hinziehen. Stattdessen sagt er nur »Hm. Sollen wir mal?«, und beginnt, seine Jeansjacke zuzuknöpfen; komisch, dass er diese einmalige Gelegenheit vorbeiziehen lässt. Jetzt, wo er es sagt, spüre ich auch die Kälte. Denkt man gar nicht, aber in L.A. ist es abends fast so kalt wie auf dem Wasser; vor allem hier oben in den Hügeln kriecht ab acht eine unangenehme Kälte die Beine rauf. Wir schwingen uns in den Wagen, nachdem wir die letzten Schlucke unserer Biere so schnell wie möglich, aber gerade entspannt genug, um nicht als Kälte-Chicken dazustehen, runtergekippt haben. Kaum dass wir sitzen, lasse ich die Deckung ein wenig runter. »Nun mach schon die Heizung an!« Nick lacht und dreht den Zündschlüssel rum - er besteht immer drauf, am letzten Tag selbst zu fahren. Nichts passiert. Nur ein Klick, genau wie vor der mysteriösen Twin-Galaxies- Zentrale in Iowa. »Shit, nicht schon wieder, hier oben kommt doch kein Abschleppwagen rauf!«, zetert Nick, während er hektisch am Zündschloss herumfuhrwerkt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon, wie bei der Autovermietung die Extrarechnung aus dem Nadeldrucker rattert: Penalty for driving on restricted road: 200 Dollar, recovery fee: 300 Dollar. Auch mein Fahrer scheint langsam im wahrsten Sinne des Wortes kalte Füße zu bekommen. Nick dreht den Zündschlüssel so schnell hin und her, als gelte es, den Sprint beim Joystickkiller Summer Games zu gewinnen. Nach zwei Minuten und ungefähr hundert Startversuchen müssen wir einsehen, dass kein Weg an weiterer Frischluft vorbeiführt. Bis wir die Motorhaubenentriegelung vorne am Grill aufgekriegt haben, dauert es noch mal zwei Minuten. Da stehen wir also, mitten in den Hollywood Hills, neben der grandiosesten Aussicht der freien Welt, ledig und ungebunden - und stieren in den Motorraum unseres Buick. Viel zu sehen gibt es nicht, schließlich ist es dunkel, und der V6 ist wie alles andere, was irgendwie zum Betrieb des Wagens notwendig ist, von einem Plastikhäubchen bedeckt. So können wir nicht einmal die einzige Reparaturstrategie anwenden, die wir kennen - nämlich dranklopfen. Doch so wenig wir auch von Autotechnik verstehen mögen, eines erkennen selbst wir: Dieses Kästchen direkt neben der Batterie war sicher nicht da, als der Wagen aus der Fabrik gerollt ist. Unauffällig sieht es aus, ein Kästchen im Format einer alten VHS-Videokassette, ein Industrieprodukt. Dass es nicht zur Standardausstattung des Wagens gehört, erkennt man schon am grauen Gehäuse, das an ein billiges Abwasserrohr erinnert und nicht halb so edel wie das Buick-Plastik aussieht. Außerdem scheint es jemand bei der Montage sehr eilig gehabt haben, denn das Gerät hängt nur an einem Fitzel Klebeband und baumelt gegen die Innenseite des Kotflügels. »Bestimmt eine dieser Black Boxes, die Autovermieter neuerdings installieren, um bei Unfällen den Kunden die Schuld in die Schuhe schieben zu können«, mutmaßt Nick und ruckelt blind an den Kabeln der Batterie rum. Ich kann mich nur wundern: »So mies eingebaut, und ohne Verbindung zur Batterie?« Nick weiß zwar auch nicht viel über Autos, aber dass diese Box nicht gerade crashsicher montiert ist, muss selbst ihm auffallen. Fast scheint es, als wolle er die Sache runterspielen, damit die mühsam aufgebaute Happy-L.A.-Laune nicht flöten geht. Ohne mich. »Alter, das ist ein GPS-Tracker, und du weißt genau wie ich, wie der da

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