Extrem
Um an die Spitze zu kommen, muss man immer die Zähne zusammenbeißen – und ich komme mit der Hitze in der Sauna eben gut klar.“
Ich versuche mir das vorzustellen: Tatsächlich wird ja der Raum, in dem die Teilnehmer sich befinden, langsam, aber stetig immer stärker erhitzt – der Vergleich mit dem Frosch scheint da gar nicht so weit hergeholt. Inwiefernaber handelt es sich beim „Sitzen und Schwitzen“ um eine Leistung, die man trainieren kann? Ist es nicht vielmehr so, dass wir individuell unterschiedlich auf Hitze reagieren und nach Veranlagung zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Grenze dessen erreichen, was wir aushalten können?
„Man kann das Schwitzen trainieren“, sagt Butz, „indem man schlicht und einfach viel und regelmäßig in die Sauna geht. Man sieht es an Menschen, die fast nie in der Sauna sind: Sie schwitzen sehr wenig. Jeder, der regelmäßig in die Sauna geht, transpiriert sehr viel mehr. Deshalb trainiere ich regelmäßig mindestens einmal die Woche – vor Wettkämpfen sogar drei Mal die Woche. Man wird besser mit der Zeit.“
Die Grenze dessen, was der menschliche Körper an Hitze erträgt, scheint dennoch schnell erreicht. Während bei gängigen Sportarten immer wieder neue Rekorde aufgestellt werden, immer schnellere 100 Meter gerannt, immer tiefere Tiefen getaucht und immer größere Weiten gesprungen werden, gab es in der kurzen Geschichte der Sauna-Weltmeisterschaft schon einen tödlichen Unfall. Deshalb die Frage an Frau Butz: Ist es für Sie in der Sauna schon mal gefährlich geworden?
„Noch nie! Nicht mal ansatzweise. Ich habe eine bestimmte Sitzposition, in der ich mit meiner rechten Hand meine Pulsfrequenz kontrolliere. Wenn es für meinen Körper zu viel wird, dann ist Schluss. Ich sage zwar zu mir: Sitzen bleiben! Aber irgendwann laufen meine Füße von alleine los.“
Bei der Sauna-WM geht alles streng nach Reglement: Die Teilnehmer sitzen auf gleicher Bankhöhe, dürfen sich nur sehr wenig bewegen, die Größe der Badebekleidung ist auf den Zentimeter genau vorgeschrieben. Schweiß-Wegwischen ist untersagt, sämtliche Hilfsmittel sind verboten – und vor der Sauna stehen Sanitäter. Das Risiko scheint also berechenbar zu sein – und trotzdem kam es 2010 zu einem schrecklichen Unfall, bei dem der russische Teilnehmer Vladimir Ladyzhenskiy starb. Butz kennt die Hintergründe dieses Vorfalls:
„Es hat sehr lange gedauert, bis die Untersuchungsergebnisse bekanntgegeben wurden. Ladyzhenskiy war hochgradig gedoped. Er hatte Schmerzmittel genommen und sich zusätzlich den ganzen Körper mit einer Lokal-Anästhesie-Creme eingerieben, sodass er die Hitze nicht mehr gespürt hat. Das war sehr unsportlich und ein klarer Regelverstoß. Sein Tod ist furchtbar, aber auch selbstverschuldet. Darunter hat der Saunasport sehr gelitten.“
Doch auch ohne Doping kann man in der Sauna über seine Grenzen hinausgehen. Der fünffache Saunaweltmeister Timo Kaukonen aus Finnland lag nach der Weltmeisterschaft zwei Monate lang im künstlichen Tiefschlaf.
„70 Prozent seiner Haut waren verbrannt. Ich stand direkt vor der Sauna. Als sie ihn nach sieben Minuten rausgeholt haben, löste sich seine Haut von Armen und Beinen. Mir ist das wirklich unbegreiflich, so eine Willenskraft kann ich nicht aufbringen. Ich gehe bis an meine Grenze – wenn man gewinnen will, muss man das. Aber ich überschreite diese Grenze nicht“, erklärt Michaela Butz. Sie hält Maß, und auf meine Frage, ob ihr Hausarzt sie für verrückt hält, antwortet sie:
„Nein, mittlerweile bin ich mit meinem Arzt sogar befreundet. Er untersucht mich regelmäßig – denn man muss bei Wettkämpfen immer ein ärztliches Attest vorlegen. Ich achte immer auf meine Gesundheit. Und meine Blutwerte sind – seitdem ich die Wettkämpfe mache – sogar besser geworden.“
Dennoch, die Vorfälle um Ladyzhenskiy und Kaukonen wurden polizeilich untersucht und haben letztlich dazu geführt, dass die Sauna-Weltmeisterschaft bereits elf Jahre nach ihrer Erfindung wieder eingestellt wurde. Das hindert Michaela Butz nicht daran, ihr sportliches Hobby weiter zu betreiben. Mit welchen Mitteln bringt sie ihren Körper dazu, der Hitze möglichst lange standzuhalten?
„Ich kühle mich vorher ab – ein paar Minuten in einem Tauchbecken. Dann versuche ich, ruhig zu sein. Es ist sehr wichtig, dass man möglichst flach und wenig atmet. Da gibt’s natürlich auch eine bestimmte Atemtechnik, wie man die Hitze ‚wegatmen‘
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