F (German Edition)
ein Wort.
Nichts geschah.
Es ist wirklich nicht meine Schuld, sagte ich. Ich bemühe mich doch. Ich blicke auf, und da bist du nicht, ich sehe mich um, und du bist nicht da, ich sehe dich nicht, ich höre dich nicht. Ein kleines Zeichen nur. Kein anderer bräuchte es zu sehen. Ich würde kein Aufheben davon machen, niemand würde es erfahren. Oder besser noch, gib kein Zeichen, lass mich einfach glauben. Das würde genügen. Wer braucht Zeichen? Lass mich glauben, dann geschieht alles, ohne dass etwas geschieht.
Ich wartete und blickte ins flackernde Kerzenlicht. War es geschehen? Vielleicht glaubte ich schon, ohne es zu wissen. Musste man wissen, dass man glaubte? Ich horchte in mich.
Aber nichts hatte sich geändert. Ich stand vor einem Altar in einem steinernen Bau auf einem kleinen Planeten, der einer von hundert Milliarden Milliarden war. Galaxien von unerträglicher Ausdehnung wirbelten im schwarzen Nichts, durchzogen von Strahlung, ein langsam sich in Kälte auflösendes All. Ich kniete mich wieder auf das flache, freundliche Betkissen und faltete die Hände.
Am nächsten Morgen wurde ich zum Abt gerufen. Feist, klug und einschüchternd saß Pater Freudenthal im purpurnen Habit der Augustinerchorherren an seinem Schreibtisch. Er machte eine einladende Handbewegung, besorgt setzte ich mich.
Das sei nicht ungesehen geblieben, sagte er mit weicher Stimme. Gestern, in der Abendandacht.
«Es tut mir leid.»
Junge Leute wie ich seien selten. Solche Begeisterung. Solcher Ernst.
Ich merkte, dass ich bescheiden lächelte. Ein Heuchler, dachte ich verblüfft. Nie hatte ich es geplant, nie mich darauf vorbereitet, aber offenbar war ich ein Heuchler!
Manchmal meine man, sagte Pater Freudenthal, solche jungen Männer gebe es nicht mehr. Aber es gebe sie eben doch! Er sei sehr bewegt.
Ich neigte den Kopf.
«Eine Bitte.» Er öffnete die Schublade und nahm ein Exemplar von Mein Name sei Niemand heraus. «Unsere Klosterbibliothek sammelt signierte Bücher. Könntest du deinen Vater bitten, seinen Namen hineinzuschreiben?»
Zögernd nahm ich das Buch entgegen. Arthur signierte niemals, keiner wusste, wie seine Unterschrift aussah.
«Das ist gar kein Problem», sagte ich langsam. «Das macht er sicher gern.»
Seit einer Dreiviertelstunde warte ich. Ich habe keine Ahnung, warum ich hier bin, aber da die Klimaanlage funktioniert, ist es mir ganz recht. Die Hitze drückt gegen die Fenster, die Luft draußen ist vollgesogen mit Sonnenlicht; unwillkürlich frage ich mich, ob die Scheiben halten werden. Ich nippe an meinem Pappbecher mit Kaffee. Vor mir steht ein leerer Glasteller, die Kekse habe ich längst gegessen. Niemand füllt nach.
Von nebenan dringen Bürogeräusche: Stimmen, Telefone, das Sirren von Druckern und Kopiergeräten. An einem Schreibtisch sitzt eine Sekretärin mit sehr kurzem Rock. Ihre Beine sind mir deutlich bewusst: bräunlich und muskulös, die Haut geschmeidig glatt. Wenn ihr Blick mich streift, dann so, wie man einen Tisch ansieht, einen Kühlschrank oder einen Stapel Papierkartons. Ich bin froh über meine Priesterkleidung. Wäre ich in Zivil, so ein Blick wäre unerträglich.
Ich konzentriere mich auf den Würfel. Ich muss besser werden in der Anwendung der Petrus-Methode. Die Konkurrenz ist stark, die jungen Leute sind schnell, und für die Weltmeisterschaft ist der konventionelle Weg zu langsam. Inzwischen werden bei vielen Wettbewerben die Würfel mit Vaseline geschmiert, damit sie sich schneller drehen lassen. Als ich anfing und der Würfel neu war, begann man mit einer Fläche, die man herstellte, aufbrach und dann wiederherstellte, aber heute geht das gar nicht mehr. Jetzt arbeitet man mit zwei Ebenen gleichzeitig, von denen aus man den Rest aufbaut, ohne je etwas aufbrechen zu müssen. Das geht schneller, aber man muss höllisch aufpassen, nichts ist mechanisch, nichts läuft von selbst. Den ersten Block muss man intuitiv finden, und wenn man nicht schnell genug ist, verliert man Sekunden, die nicht mehr aufzuholen sind.
Eine Hand berührt meine Schulter. Eine andere Sekretärin, etwas älter. «Ihr Bruder hat jetzt Zeit.»
Erics Büro sieht aus, wie ich es mir vorgestellt habe: der aufgeräumte Schreibtisch, das protzig große Fenster, die angeberische Aussicht auf Dächer, Fernsehantennen und Türme. Mein Bruder sitzt reglos, blickt auf einen riesigen Bildschirm und tut, als bemerke er mich nicht.
«Eric?»
Er antwortet nicht. Sein Finger klickt auf der Maus, dann greift er
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