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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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Restaurant sitze, ein Glas Wasser vor mir, mit einem Geschäftsmann, der ständig auf sein Telefon starrt, finden sie kurios. Viele von ihnen fühlen sich allein dadurch schon beruhigt, dass es unsereins noch gibt – dass wir noch über die Erde schreiten, Messen lesen, beten und uns verhalten, als hätte der Mensch eine Seele und als gäbe es Hoffnung. Selbst mir geht es so, wenn ich Priester sehe, die ich nicht kenne. Bei meinem Spiegelbild funktioniert es leider nicht.
    Der Kellner bringt das Essen. Die Portionen sind noch kleiner, als ich befürchtet habe. Ein winziger Haufen muscheligen Teiggewirrs in der Mitte eines zum Großteil leeren Tellers.
    Eric legt das Telefon weg. «Wenn du jemandem eine Nachricht schickst, und er antwortet, und du antwortest wieder und bittest um schnelle Antwort, und es kommt keine, würdest du dann davon ausgehen, dass er die Nachricht nicht bekommen hat oder dass sie einfach nicht antwortet?»
    «Er oder sie?»
    «Was?»
    «Du hast einmal ‹er› und einmal ‹sie› gesagt.»
    «Und?»
    «Nichts.»
    «Was hat das mit meiner Frage zu tun?»
    «Nichts, aber –»
    «Was willst du wissen?»
    «Nichts!»
    «Es ist völlig egal, was für eine Nachricht. Es spielt keine Rolle.»
    «Das habe ich auch nicht gefragt.»
    «Vielleicht gehört es ja zu deinem Beruf. Vielleicht müsst ihr so neugierig sein.»
    «Aber ich bin nicht neugierig!»
    Er starrt auf sein Telefon, tippt und beachtet mich nicht mehr. Das ist mir ganz recht, denn das Gericht erweist sich als so kompliziert, dass ich mich konzentrieren muss. Es ist wider alle Vernunft, dass man Nudeln nicht zerschneiden darf. Ein Gebot von gleichsam religiöser Kraft. Nudeln zerschneiden, das wäre ein Fehltritt ungeheuren Ausmaßes. Warum? Keiner weiß es. Und die Muscheln? Man muss jede einzelne Schale aufbrechen und dann das winzige, völlig geschmacklose Stückchen herauslösen. Mit den Fingern geht es schlecht, mit der Gabel noch schlechter.
    «Führt ihr noch Exorzismen durch?»
    «Ob wir …?»
    «Dämonische Besessenheit. Macht ihr das noch? Habt ihr Leute dafür?»
    «Ich weiß nicht. Kann schon sein.»
    Er nickt, als hätte meine Antwort eine Vermutung bestätigt.
    Eric hat sein Essen noch nicht angerührt. Ich breche die letzte Schale auf, Sauce tropft auf meinen Ärmel, dann widme ich mich den Nudeln, aber das fällt schwer, der Teller ist voll zerbrochener Muschelschalen. Meine Finger riechen nach Fisch. Und immer wieder stößt mich mein Sitznachbar mit dem Ellenbogen, er gestikuliert wild. Ihm gegenüber sitzt ein Mann mit Glatze und Brille, die beiden sprechen über das Bonitätsrating eines Rentenfonds.
    «Was ist die klassische Lehrmeinung?», fragt Eric. «Muss man einen Dämon zulassen, wenn er kommt? Braucht er eine Einladung, oder kann er einen einfach in Besitz nehmen?»
    «Warum willst du das wissen?»
    «Ein Buch, nur ein Buch. Ich habe so ein Buch gelesen. Ein seltsames Buch. Egal.» Er nimmt sein Wasserglas, betrachtet es, nippt daran und stellt es ab.
    «Also, was wolltest du mit mir besprechen?»
    Er runzelt die Stirn und blickt auf sein Telefon. Ich warte. Er sagt nichts.
    Allmählich wird es anstrengend. Ich hole mein Telefon hervor, tippe eine Nachricht: Wie geht es dir, ruf mich doch an, wenn du mal Zeit hast! Martin , und schicke sie an Eric.
    Gerade hat er sein Telefon weggelegt. Es vibriert, er greift danach, blickt darauf und zieht die Augenbrauen hoch. Ich warte, aber er sagt kein Wort. Er lächelt auch nicht. Er reibt sich die Schläfen, legt das Telefon wieder weg, nimmt es, legt es wieder weg und sagt: «Diese Hitze!»
    Ich gebe zu, es war kein sehr geistreicher Scherz, aber ein kurzes Lächeln wäre angebracht gewesen. Warum fällt es ihm so schwer, höflich zu sein? «Wie geht es Laura?», frage ich. Ich kenne seine Frau kaum. Eine Schauspielerin, was sonst. Sehr gut aussehend. Was sonst. «Und Marie?»
    «Sie ist gut in der Schule. Manchmal macht sie mir Sorgen.»
    «Warum?»
    «Sie macht mir manchmal Sorgen. Aber sie ist gut in der Schule.»
    «Und deine Mutter?»
    «Sie hat jetzt diese Fernsehsendung. Leute rufen an, erzählen von ihren Krankheiten, sie sagt etwas dazu.»
    «Ich dachte, sie ist Augenärztin.»
    «Es gab ein Casting, sie hat gewonnen, unter dreihundert Kollegen. Sie hat gute Quoten. Und deine Mutter?»
    «Gesund. Gott sei Dank. Das Rentnerdasein bekommt ihr, sie liest alles, was sie immer lesen wollte.»
    «Wohnst du noch bei ihr?»
    Ich sehe ihm an, was er denkt. Aber warum

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