FABELhafte Geschichten (German Edition)

So etwas gibt es nicht, sagten die Igel und waren sich einig, dass man auf das Geschnatter von Gänsen  nicht viel geben darf.
     
    ***

Marla und Nele
     
     
     
    An einem  frostigen Nachmittag im Dezember bedeckten dicke, graue Wolken den Himmel.Unzählige Schneeflocken drängten sich darin und sehnten sich danach, endlich dieser fast schon unerträglichen Enge entfliehen zu können.
    Die Schneeflocken waren furchtbar aufgeregt, weil sie nicht wussten, was sie erwarten würde, wenn sie ihr Wolkenheim verließen.Sie lachten und schwatzen und lenkten so davon ab, wie bang ihnen eigentlich  vor dem Sprung ins Ungewisse zumute war.
    Die Spannung war kaum mehr auszuhalten, als endlich der Himmel seine Schleusen öffnete.Zögerlich machten sich die ersten Schneeflocken auf die Reise, manche versuchten noch sich festzuhalten, aber es war sinnlos, denn ständig rückten hinter ihnen weitere Schneeflocken nach.Und so verließ eine nach der anderen den Schutz der Wolke und glitt lautlos und sacht zur Erde.
    Es dauerte eine ganze Weile, dann konnten auchMarla und Nele dem Getümmel entrinnen.Nele hatte es kaum erwarten können, endlich die enge Wolke zu verlassen.Sie sehnte sich nach Freiheit und Abenteuer.Marla hingegen wäre gerne noch eine Weile geblieben.Sie hatte sich in der Wolke immer beschützt und behütet gefühlt.Alles Neue und Unbekannte löste Furcht in ihr aus.Doch auchMarlas Zeit war nungekommen und als Nele freudig über den Wolkenrand hüpfte, nahmMarla ihren ganzen Mut zusammen und ließ sich fallen.
    Sanft schwebten beide hinunter.Der Anblick war einfach überwältigend.Die Erde war mittlerweile mit einer dicken, weißen Schneedecke überzogen und es gab nur noch ganz wenige schwarze Flecken.Es dämmerte bereits. Unter ihnen glitzerten und funkelten überall kleine Lichter.
    Marla hielt den Atem an.Das hatte sie nicht erwartet.Es war einfach wunderschön.Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte sie.Die Gefühle verursachten eine so intensive Wärme, dass Marla fast fürchtete zu schmelzen.Einzig und allein dieser Moment, dieser Augenblick so durch die Luft zu schweben, schien das Leben lebenswert zu machen.Sie wünschte sich, diesen Moment auf ewig festhalten zu können.Alles andere, die Vergangenheit, die Zukunft, erschien plötzlich unwichtig, nur die Gegenwart zählte.
    AlsMarla Nele ihre Gefühle mitteilte, lachte diese nur.„So ein Blödsinn,Marla.Dir mag das reichen, aber mir ganz sicher nicht.Siehst du denn nicht, wie schön es da unten ist?Da will ich hin und etwas ganz Großes werden.Schau dir die herrlichen Lichter an.Sicher leuchten sie nur für uns.Weil wir erwartet werden, weil wir etwas Besonderes sind, weil ICH etwas Besonderes bin.Ich möchte mich dort niederlassen, wo es am schönsten ist und wo mich jeder sehen kann“, und Nele hielt bereits Ausschau nach einem geeigneten Landeplatz.Ein großer Baum, der mit vielen Lichtern geschmückt war, erregte ihre Aufmerksamkeit.„Da“, rief Nele, „genau da ist der richtige Platz für mich.Hoch oben auf die Spitze des Baumes will ich mich niederlassen.Wie wunderschön werde ich im Glanz der Lichter leuchten und funkeln.Alle Leute werden mich bewundern undsagen 'Oh seht nur die herrliche Schneeflocke.Sie ist die schönste Schneeflocke, die wir jemals gesehen haben'.
    Um ihr Ziel zu erreichen, begann sie zuerst langsam, dann immer heftiger zu schaukeln.Der Ort ihrer Träume näherte sich, doch kurz vor dem Ziel frischte der Wind leicht auf.Nele kam ins Trudeln und verlor die Kontrolle.Haarscharf schwebte sie am Baum vorbei.Schwarzer, nass glänzender Asphalt lag direkt vor ihr.Dann war von Nele nichts mehr zu sehen.
    UndMarla?Marla ließ sich sanft vom Wind treiben.Auch wenn er sie ins Ungewisse trug, hatte sie keine Angst.Der Boden kam unaufhaltsam näher.Marla schloss die Augen ...
    Als sie die Augen wieder aufschlug, fand sie sich auf den Ästen einer kleinen Tanne wieder.Von dort hatte sie eine wunderbare Übersicht über einen großen herrlichen Garten.Sie beobachtete, wie Menschen hinter den Fenstern ihres Hauses Kerzen an einem Baum entzündeten, wie die Menschen gemeinsam lachten, sich umarmten und sich freuten.Sie sah zu, wie sich einige Spatzen um das Futter am Vogelhäuschen balgten und Kaninchen zwischen den Sträuchern spielten.  Marla freute sich über die Kinder, die im Garten einen Schneemann bauten und sich mit Schneebällen bewarfen. Sie fand das Leben herrlich und blickte voller Zuversicht in die Zukunft.
    Marla