Facetten der Lust
Annabelle versank in seinem durchdringenden Blick. Bildete sie sich das ein, oder wurden seine blauen Augen dunkler?
„Ich war jung und dumm und wusste nicht, was ich wirklich fühlte“, fügte er hinzu, als Annabelle nichts erwiderte.
„Was hast du gefühlt?“, flüsterte sie wie unter Zwang. Sie hatten noch nicht einmal ihre Bestellung aufgegeben, und schon war die sexuelle Spannung zwischen ihnen nicht zu übersehen. Subtiler wäre ihr lieber gewesen. Das ging alles viel zu schnell. Schnell? Fast hätte sie über ihre Gedanken gelacht. Über zehn Jahre einen Mann zu begehren und jetzt die Erfüllung in greifbarer Nähe zu haben, war nun wirklich nicht schnell.
Hitze stieg in ihr auf, als Ryan sich weiter über den Tisch beugte und sanft ihre Fingerspitzen küsste.
„Ich habe dich begehrt. Doch ich war zu feige, es mir einzugestehen.“ Dieser Satz berührte sie. Fast bedauerte sie, mit ihm in einem Restaurant zu sitzen. Viel lieber wäre sie jetzt mit ihm allein. Ihre Augen hingen an seinen Lippen, sie sehnte sich nach einem Kuss.
„Sieh mich nicht so an, Bell.“
„Ich mache doch gar nichts“, flüsterte sie atemlos. Es war eine glatte Lüge. Sie wusste genau, dass sie ihn mit ihrem Blick verschlang. Ryan schluckte krampfhaft. Ihr Blick glitt über seinen Hals und blieb auf dem kleinen Flecken Haut zwischen den offenen Knöpfen seines Hemdes hängen. Sie leckte sich die trockenen Lippen. Das geschah in keiner Weise zufällig. Noch nie war sie sich ihrer Wirkung bewusster gewesen, als in diesem Augenblick. Ganz deutlich konnte sie das heftige Schlagen seines Herzens an seinem Hals ablesen. Sie lächelte, löste sich von seiner Hand und lehnte sich gegen die Stuhllehne. Sie genoss ihre Macht und die Wirkung auf ihn. „Erzähl mir von Afrika.“
In Ryans Augen flackerte es. Er brauchte ein paar Augenblicke, bis er sich im Griff hatte. Der Kellner kam ihm zu Hilfe. Während sie ihre Bestellung aufgaben, beruhigte sich Ryan. Sein Lächeln war unverfänglich, fast verschlossen, als sie wieder allein waren.
Ryan hatte in den letzten zehn Jahren fast ganz Afrika bereist. In den schillerndsten Farben berichtete er von den Savannen Zimbabwes, dem Dschungel des Kongo und der einzigartigen Schönheit Botswanas und Südafrikas. Er hatte Gorillas in freier Wildbahn gesehen, die Gnuherden auf ihrer Wanderung, Giraffen und Zebras, Elefanten und Löwen. Bei all seiner Begeisterung für den Kontinent entging Annabelle nicht, dass Ryan seine Arbeit mit keinem Wort erwähnte. Doch nach seinen Worten von heute Mittag wollte sie ihn nicht bedrängen. Bald schwelgten sie in Erinnerungen und lachten über die alten Geschichten. Die Stimmung war ausgelassen und unbefangen. Und doch schwebte über jedem Wort, jeder Geste Verlangen.
Seit dem Dessert hielt er ihre Hand. Ryan hatte es meisterhaft verstanden, die Mousse au Chocolat zu einem sinnlichen Erlebnis zu machen. Sie hatten sich gegenseitig gefüttert und die sexuelle Anspannung hatte mit jedem Löffel zugenommen. Annabelle war gerade dabei, den letzten Rest mit der Zunge vom Löffel zu lecken und Ryan dabei tief in die Augen zu schauen. Er hielt nur mühsam ihrem Blick stand. Immer wieder starrte er ihre spielende Zunge an. Sein Atem ging flach und sein Herzschlag war deutlich an seinem Hals zu sehen. Annabelle lächelte ihn ungezwungen an.
„Hast du auch nur die leiseste Ahnung, was du mit mir tust?“, fragte Ryan leise.
„Ich weiß genau, was ich tue. Und ich weiß genau, was ich will.“
„Was willst du, Bell?“
„Dich! Ich wollte immer nur dich.“ Ihre Wangen glühten und ihr Herz raste, doch sie war nie ehrlicher gewesen. Alles in ihr schrie nach ihm.
Sein Adamsapfel hüpfte, als er krampfhaft schluckte. Die Umklammerung seiner Hand wurde fester. Ryan hob Annabelles Fingerspitzen an seine Lippen und küsste jede einzelne. „Ich kann dir nicht viel mehr als die nächsten drei Wochen geben. Doch die würde ich gern mit dir verbringen. Lass mich wiedergutmachen, was ich in unserer Jugend verbockt habe.“
„Wir wollten die Vergangenheit ruhen lassen. Ich möchte keine drei Wochen mit dir. Ich will diese Nacht.“ Annabelle war über ihre eigene Courage erstaunt. Drei Wochen waren zu gefährlich für sie, aber diese eine Nacht würde sie durchstehen, ohne ihr Herz ein zweites Mal zu verlieren. Sie würde Ryan genießen, wie sie noch keinen Mann genossen hatte, und dann ihr Leben ohne ihn weiterführen.
„Mein Hotel ist genau gegenüber“, sagte
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