Fado Alexandrino
Capuchos, husteten Hunderte von Kranken ihre kanzerösen Lungen heraus, was für ein merkwürdiger Sommer ist das, wie heftig und widersprüchlich sind die Nachrichten in der Zeitung, endlich die Rua da Alameda, endlich das Stadtviertel, endlich die Gasse, die Mülltonnen auf den Bürgersteigen, die ewige Menge räudiger, streunender Hunde, die mit gesenktem Kopf die Rinnsteine abschnüffeln, ein letzter Betrunkener, der breit wie ein König auf einer Stufe bei den Fensterläden der Taverne sitzt, den Hut im Nacken, lacht er stumm mit offenem Mund ein endloses Gelächter, es war zwei, drei, vier Uhr morgens, Beim Maler wußte ich nie, wann ich ’ne Fliege machen konnte, wann er voll genug war, um loszuschnarchen, wortreiche Klagen jaulte, mich, in die Bettücher und den dichten dickflüssigen Atem gewickelt, vergessen hatte, unter Odetes Tür brannte das Licht, ein rechter Winkel feiner Helligkeit zwischen dem Kalk und dem Holz, ich putzte die Schuhsohlen auf der Fußmatte ab, und ohne es recht zu bemerken, Herr Hauptmann, Ehrenwort, drehte ich am Türknauf aus Porzellan, trat ein, drehte wieder daran und stand da mit baumelnden Händen, verblüfft über mich selbst, am Eingang zum Zimmer, völlig verwirrt, echt in der Klemme inmitten der Bücher, der Hefte, der Mappen, des Papierkrams, der Drucke, die mit Heftzwecken an der Wand befestigt waren, Reproduktionen von Bildern, versuchte verzweifelt, dich nicht zu sehen, dich nicht anzuschauen, hatte Angst vor dem Widerwillen, der Empörung, der Enttäuschung, der Wut, der unendlichen Verachtung in deinem Gesicht.
– Und da hast du also angefangen, innerlich zu faulen, mein Alter, sagte der Leutnant, und da hast du angefangen, hoffnungslos zu leiden. Die sollten einem in der Schule beibringen, daß man nie eine geschlossene Tür öffnen darf, vor allem nicht, wenn sich auf der anderen Seite eine Frau befindet.
– War das, als gerade die Banken verstaatlicht wurden, fragte der Oberstleutnant, als es all diese Schwierigkeiten mit der Revolution gab?
Nein, dachte der Soldat, früher, kurz davor, zur Zeit der glücklichen Epoche des demokratischen Idealismus, in der wir, wie der Funker sagen würde, vor antifaschistischer Seligkeit weich waren wie kleine dicke Hundchen, romantisch, großzügig, soziabel, während die politischen Parteien hinter unserem Rücken sich Schritt für Schritt anschickten, sich gegenseitig niederzumetzeln, stumm die Zähne fletschten hinter ihrem aufgesetzten Pappelächeln, blutrünstig, unbarmherzig, grausam, noch während der Flaute, während des süßen Friedens im Mai, Juni, Juli, während des süßen Friedens im August, sonntags ging ich mit meinen Arbeitskollegen an den Strand, der Neffe der Buchhalterin beugte sich aus dem Linienbus zu den Mädchen heraus, Erlauben Sie, daß ich Sie begleite, junges Fräulein? darf ich mich Ihnen vorstellen, junges Fräulein?, sie spielten Ball auf dem Sand, schubsten sich gegenseitig ins Wasser, versteckten sich gegenseitig die Kleider, einmal, in Fonte da Telha, machten sie für abends ein Treffen mit einer Gruppe Arbeiterinnen aus einer Wollfabrik aus, führten sie zum Ball der Freiwilligen Feuerwehr in einem Saal im ersten Stock über den Krankenwagen und den Pumpwagen aus, doch sie weigerten sich, mit uns in das Lager von Umzüge Ilídio zu gehen, auf altersschwachen Diwans inmitten von Mäusen und Staub mit uns zu schlafen, und sie hatten sich nach einer endlosen Diskussion an einer Ecke am Intendente getrennt, zwei oder drei, voller Spitzen, Rüschen, Koketterie, waren bereit, es zu tun, doch eine kleine, von Pockennarben übersäte Mulattin hatte sich, von unerklärlichen Skrupeln übermannt, in letzter Minute geweigert, und sie waren am Ende in ein Haus hochbetagter Huren in der Rua do Mundo gegangen und hatten einer nach dem anderen die einzige zur Verfügung stehende Kreatur gebumst, einen rotblonden Mastodonten, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, den Büstenhalter aufzuhaken, und
die ganze Zeit glibbrig und reglos, ohne ein einziges zärtliches Schlängeln, dagelegen hatte, es war beinahe Morgen, als sie herauskamen, der Rand der Dächer belebte sich mit einer Ahnung Blau, Männer von der Stadtverwaltung in orangefarbenen Westen begossen den Teerbelag, es war ein paar Monate davor, Herr Oberstleutnant, mein Körper schmerzte vor Sonne, meine Nieren schmerzten vor Sonne, die politischen Parteien überfielen die Zeitungen, kreuzigten sich gegenseitig honigsüß, stichelten mit
Weitere Kostenlose Bücher