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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Memoranden, Gutachten, Berichte verfaßt habe, die Ricardo später, wenn es irgendwie ging, in einen Vorschlag zum Übergang in die Reserve verwandelte und so mit der Geduld eines Käfers ganz langsam den Weg für einen Viersterneposten für sich selber ebnete. Denn das war es, wissen Sie, das einzige, was ihn wirklich interessierte: General sein, Befehlshaber über eine Region, auf einer geschmückten Tribüne an Gedenkfeiern, Paraden, Fahneneiden teilnehmen. Und mit meiner Hilfe, verdammte Scheiße, hat er es in weniger als einem Jahr geschafft.
    – Wie viele haben Sie heute erschossen, Herr Oberst? fragte Major Fontes mit einem bangen Kichern. Mich haben Sie hoffentlich noch nicht weggesäubert?

    – Wollen Sie damit sagen, Herr Oberstleutnant, daß das die Revolution war? meinte der Soldat entgeistert. Wollen Sie damit sagen, daß die Revolution darin bestand, daß die Schlaumeier sich alle gegenseitig verschluckten, sich prügelten, um zu sehen, wer den besten Platz bekam?
    Nicht eigentlich die Revolution, dachte er, doch die Kulissen, die Künstlergarderoben des Staatsstreichs, die Obersten, die Brigadegeneräle und die Generäle, auf deren Hilfe die Hauptleute zurückgriffen, von einem bestimmten Zeitpunkt an, um die Bastardenherkunft der Demokratie zu legitimieren, um die Kapitalisten, die Unternehmer, die Emigranten zu beruhigen und die Vereinigten Staaten und Europa milde zu stimmen, ihnen zu versichern, daß es auf der Halbinsel kein Kuba geben würde, keine bärtigen Katastrophentypen in Zwillichuniformen, die Zigarren rauchten und überall Zuckerrohr und Leninbüsten pflanzten. Weder die Revolution noch die, die die Revolution gemacht haben, sondern gierige, kanzeröse Mikroben, die sich an ihr nährten und um die herum sich politische Parteien, Machtkämpfe, persönlicher Haß, die unersättlichen kleinen Ambitionen der Frustrierten bewegten: ich möchte Marschall sein, ich möchte reich sein, ich möchte Minister sein, ich möchte ein Schiff haben, ein Haus mit Schwimmbad, einen Farbfernseher, eine teure Geliebte, ich möchte, daß mir zwanzigtausend Beifall spenden, begeistert Plakate und Fahnen schwenken, ich will die anderen übers Ohr hauen, ich will die anderen zerbröseln, ich will die anderen in den Arsch ficken, ich will allein dastehen, heroisch und in Bronze, auf dem schwindelerregenden Gipfel des Denkmalsockels. Und am Ende, verflucht noch mal, elend im Bett, voller Schläuche und Kabel, in irgendeinem kleinen Krankenhaus liegen, panisch still wie ein Hund keuchen, der ohnmächtig wird, mit der altersfleckigen Hand wie ein verkrüppelter Hummer auf den Fransen der Bettdecke entlanghumpeln und sich auf den zerwühlten Bettüchern in Urin, in Durchfall, in pestilenzialischem Mundgeruch und stinkendem Schweiß auflösen.

    – Ich warne dich, Artur, mir gefällt das ganz und gar nicht, drohte Oberst Ricardo, während er wütend meine Gutachten, meine Memoranden, meine Berichte durchstrich, an den Rändern Änderungen notierte, ganze Sätze strich, Abschnitte unterstrich. Auf diese Weise gelangen wir nicht nur nirgendwohin, sondern lassen zu, daß sich eine Menge faschistischer Generäle auf unsere Kosten ins Fäustchen lachen. (Eine Cacilhas-Fähre kam mit der Sonne durch die Vorhänge am Fenster, ließ die Stuckrosetten an der Ecke erzittern.) Sieh zu, wie du klarkommst, krieg was raus, wühl herum, tauch in den Müll ein, und mach mit diesen Gaunern ein für allemal Schluß, denn wenn die Revolution Schiffbruch erleidet, stürzen sich diese Hurensöhne wie die Hyänen auf uns.
    Er bewegte sich, stotterte, empörte sich, stand plötzlich auf, zückte die mit der Maschine geschriebenen Seiten, zerstörte mich mit den gierigen rosa Äuglein, kullerte, die Hände in den Taschen, durch das päpstliche Büro, röhrte, brummelte, knurrte, bellte, schrie aus vollem Halse, plötzlich patriotisch, plötzlich sozialistisch, plötzlich antibürgerlich, plötzlich besorgt um die hohen Ziele der Nation, plötzlich, falls es notwendig sein sollte, bereit, ganz allein neunundachtzigtausend Quadratkilometer mit Glockentürmen, Stille und Vergessen auf seinen Schultern zu tragen.
    – Nicht nur das Meer, erklärte der Funker Dália , während er an einem riesigen Poster voller aggressiver Bauern mit gezückter Sichel lehnte, die stumm die Internationale schrien: auch die Vögel, die steilen Hänge, die durchsichtigen Farbtöne am Nachmittag, die Büsche und kleinen Bäume der Felsen, von denen der Wind nur

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