Fado Alexandrino
ich die Möglichkeit, daß du die Stelle nicht annimmst, nicht in Betracht gezogen.
Er wickelte lärmend ein weiteres Hustenbonbon aus, packte ihn fest am Arm: die kleine, dicke Flosse erinnerte an einen Frosch, an eine gefleckte Eidechse, an ein widerliches, klebriges Tier, das sich auf dem groben, kackfarbenen Stoff des Blousons niedergelassen hatte, und der Oberstleutnant wünschte sich sehnlichst, dieses merkwürdige Tier von seinem Ellenbogen abzuschütteln, das bestimmt Saugnäpfe hatte, die durch seine Kleidung dringen, in sein Fleisch und seine Sehnen beißen, langsam, erbarmungslos und beharrlich das dicke Wasser meines Blutes aussaugen würden. Oberst Ricardos Glatze, die mit feinen rötlichen und weißen Härchen gespickt war, glänzte, das Lächeln wurde wieder breiter, und eine Reihe falscher, schrecklich perfekter Zähne tauchte aus dem Inneren des Mundes auf wie eine obszöne Plastikblüte.
– In Zukunft tritt nicht ein, ohne vorher zu klopfen, bitte mich um Erlaubnis, wenn du rauchen willst, und versuch dich daran zu gewöhnen, mich mit Herr Brigadegeneral anzureden. Nach außen hin mögen das unwichtige Formalitäten sein, aber wir müssen irgendwo damit anfangen, wieder etwas Disziplin in den Laden zu kriegen.
Major Fontes trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen, schloß vorsichtig die Tür hinter sich und wies mit dem Kinn auf ein enges Kabuff: zwei Tische, eine antiquierte, von Beerdigungstüchern bedeckte Schreibmaschine, Schränke mit Maschendrahttüren voller Bücher und Papiere, der Nagel, an dem das Foto des schweinsgesichtigen Admirals gehangen hatte und der rostig auf das Foto des künftigen Präsidenten wartete. Eine sterbende Helligkeit entstieg traurig den Vorhängen, und im Arsenal der Marine
nebenan nahm ein Unteroffizier in weißen Gamaschen die Wachablösung ab:
– Herr Brigadegeneral Ricardo hat diesen Raum persönlich für Sie ausgesucht, Herr Oberst. Ich habe ihm erklärt, daß es andere, größere gibt, die leerstehen, doch er hat darauf bestanden, daß Sie an einem ruhigen Ort arbeiten wollen und Sie unausstehlich werden, wahnsinnig schlechte Laune kriegen, wenn man Sie aus einem Loch wie diesem hier reißt.
Das Marinearsenal und hinter dem Marinearsenal statt des Flusses Häuser, kleine Läden, ein Parkplatz, rachitische Bäume, ein Stück Platz, von der Entfernung gemilderte Ampeln: Er hat sich noch nicht ganz an mir gerächt, dachte der Oberstleutnant, er hat mich noch nicht genügend erniedrigt, solange er mich nicht endgültig fertiggemacht hat, wird er keine Ruhe geben.
– Oberst Ricardo, fragte unvermittelt der Leutnant, ist das nicht dieser General, der vor ein paar Jahren tot aufgefunden wurde, halb verwest in einem Auto in Sesimbra?
– Nein, das war sein Cousin, der, der sich umgebracht hat, aber viel besser ist es ihm auch nicht ergangen, er ist im Krankenhaus, voller Schläuche und Infusionsballons an einem Berg Apparate angeschlossen, verreckt: er hatte während einer Militärparade einen Infarkt, die Truppen defilierten, und er wand sich auf einer Tribüne, riß sich die Orden und die Knöpfe von der Brust, brüllte, verrückt vor Schmerz, die Kameraden hielten ihm Arme und Beine fest, lockerten ihm den Kragen, gaben ihm ängstliche Klapse auf die Wangen.
– Es ist wirklich nicht toll, entschuldigte sich Major Fontes, indem er die abgebröckelten Wände, die abgebröckelte Decke, die abgebröckelten Fensterrahmen, das melancholische, arme Lissabon anschaute, das sich ohne Anmut, schwerfällig in einer Reihe ungleicher Dächer zur Ribeira hin entfernte. Ich habe Herrn Oberst Ricardo auch darauf hingewiesen, daß es andere Büros, andere Lösungen gibt, daß wir, was weiß ich, mit den Feldwebel-Adjutanten tauschen könnten, und er, nein, nein, nein, Sie wollten
es nun mal so, Herr Oberstleutnant, er würde Ihre Gewohnheiten ganz genau kennen, dies hier, so bescheiden, würde Sie sogar an die Wohnung Ihrer Mutter in Chelas erinnern, in einem anderen Raum würden Sie sich fehl am Platze fühlen. Nun ja, wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen einige Akten bringen.
– Ob Sie ihn sehen können? fragte eine Frau im Kittel, die hinter dem Halbmond eines Tresens verschanzt war. (Es roch nach Medizin, Stille, Flüstern, Krankheit, flüchtige Gestalten glitten über den gebohnerten Boden.) Die Besuchszeit fängt um Viertel nach drei an, Sie müssen einen Augenblick lang da drinnen warten.
Das mit Chelas war zwar gelogen, aber es war egal, oder ist es nicht etwa so,
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