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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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übliches langsames und träges Schreibmaschineschreiben wieder auf, General Ricardo, der jetzt ganz wach war, starrte den Oberstleutnant zutiefst erschrocken und ungläubig an, der ihm langsam die Heftpflaster vom Arm löste, Das Meer von Caxias, sagte der Funker zu Dália, ist halb Meer, halb Fluß, es riecht nach Toilette, nach Abwässern, nach Erbrochenem, nach verwesten Leichen, nach der Kacke der Möwen, die mit dreckigen Federn im Schwarm auf der Mauer hocken, es riecht nach ärmlichen Häusern, nach Achseln, nach kaltem Essen, nach Geschirr, das abgewaschen werden muß, er zog den Infusionsschlauch aus dem Arm, und die gelbe Flüssigkeit tropfte jetzt auf den Teppich, der Oberstleutnant, der unerschütterlich, reglos, kerzengerade neben dem Bett stand, grüßte militärisch und lächelte dabei dem Kranken beinahe freundschaftlich zu, der vergeblich mit verzweifelt aufgerissenem Mund, mit weichen Fingern den Klingelknopf zu erreichen versuchte, die phosphoreszierenden Striche auf dem Bildschirm wurden zu Entladungen unregelmäßiger Spasmen, zu jähen, leuchtenden Vibrationen, eine Lampe begann an der oberen linken Ecke des Apparates zu blinken, ein metallischer Käfer summte, die Hand von General Ricardo streckte sich kraftlos auf dem Bettuch aus, die Augen zogen sich, jetzt nicht mehr ungläubig und voller Schrecken, in die Höhlen zurück, die Salven und Striche auf dem Fernseher erloschen, die Helligkeit der Lampe war nun gleichbleibend, stärker, ein ruhiger horizontaler Streifen durchquerte das Glas, Jetzt hat er keine Angst mehr vor mir, dachte der Oberstleutnant, jetzt hat er keine Angst mehr vor dem, was ich ihm antun könnte: als er das Zimmer verließ, hörte er wieder das Käfersummen durch den Korridor wogen, Aber was für eine Wahnsinnsidee war das denn, Herr Oberstleutnant, murmelte der Leutnant, wie zum Teufel sind Sie denn darauf gekommen, er begegnete einem jungen Arzt, der, das Stethoskop in
der Hand, eilig zur Nummer zwölf trottete, gefolgt von zwei Krankenschwestern mit schiefer Haube und Spritze in der Hand, er ging leise pfeifend, ruhig die Treppe hinunter, die eine Angestellte in der Hocke bohnerte, blieb einen Augenblick im leeren Atrium stehen, sah sich ein Bild im Kiefernholzrahmen an, das anhand grauenhafter Zeichnungen kohlehaltiger Lungen und magerer, hustender Leute die Nachteile des Rauchens erklärte, und hörte die spöttische Stimme der Dame im Kittel, die ihn, von der Mauer des Tresens beschützt, umstellt von Telefonen und Registern (An die fünfzig, ganz sicher, sie wird fast fünfzig sein, mindestens), mit dem ironisch-freundlichen Tonfall von zuvor fragte, Nun, geht es Ihrem Freund besser?
    – Viel besser, antwortete er, indem er die Drehtür anschob (ein paar Stufen, ein ungepflegtes Rasenquadrat, Beete, der ungeduldige Verkehr der Avenida gleich dort unten, Ampeln, die mit mattem Eifer die Farbe wechselten). So gut, daß wir uns sogar wieder vertragen haben, immerhin.

7
    – Laß mal das Meer beiseite, bat Dália und verscheuchte Wellen und Vögel mit dem Handrücken. Jetzt mal im Ernst, mein Super-Trotzki, hast du dich gut geschlagen?
    – Ich weiß von mir selber, wie beschissen das ist, wenn man es nicht schafft, einer Frau zu erklären, daß man in sie verliebt ist, sagte der Soldat.
    Der Sitz der Organisation arbeitete in einem heruntergekommenen ersten Stock im Bairro Alto in der Nähe des Largo do Camões, mit einer verblichenen Fassade, die mit primitiven Bildern, Hammern und Sicheln, grimmigen Arbeitern vor Kränen und Schornsteinen, Arm in Arm mit Schnitterinnen und barfüßigen Fischern mit Zipfelmützen und karierten Hemden bemalt war, die der nächste Winter vollständig zu einem zusammenhanglosen Farbbrei machen würde. Neben der Tür waren in einer Vitrine in Großbuchstaben wortreiche Beschimpfungen der machthabenden Bourgeoisie und der die Massen abstumpfenden Sirenengesänge des sowjetischen Revisionismus ausgehängt, und drinnen, in alten, ungemütlichen, eiskalten Zimmern mit heruntergekommenen Stühlen und Tischen, mit Postern, Zitaten von Marx, Lenin und Ho Chi Minh, roten Fahnen, eine Gipsbüste von Engels (ähnelte meiner Großmutter, auch hinsichtlich des Bartes) auf einem Sockel aus Latten, Kippen, Asche, Papierfetzen, undefinierbarer Dreck auf dem Boden, eine winzige Bar, in der Kaffee, Orangeade und Käsesandwiches an asexuelle, häßliche Geschöpfe verkauft wurden, die mit den Fingernägeln in ihren Zähnen herumstocherten und den

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