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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Angst vor einem Empfangskomitee mit Maschinenpistole in der Faust in der Rua da Mãe-d’Água?
    – Was? wunderte sich der Vater, vom Unwetter der Rotationsmaschinen ertränkt. Nach Brasilien? Noch heute abend?
    – Wenn Sie gern ein Rührei hätten, Fernando ist da irgendwo, bot die Dame mit dem lila Haar mit einem unvermittelt freundlichen Lächeln an, das in ihrem ganzen Gesicht wahllos die Risse eines zusammenstürzenden Gebäudes öffnete: welke Beine, welke Brüste, welker Hühnerhals: Was findest du bloß an der, Inês, was zum Teufel bindet dich an sie?
    – Nach Brasilien, bestätigte der Leutnant schreiend, in der Hoffnung, der Alte möge seine Worte verstehen. Ich kann jetzt
nicht vorbeikommen, aber morgen oder später schreibe ich, um alles zu erklären.
    Vielleicht die Angst vor dem Militär, ja, vielleicht die Scham über die Flucht, vielleicht die wachsende Schwierigkeit, sich der Familie zu stellen, dem abgewetzten Anzug des Vaters, der ständig ein Streichholz im Mund stecken hatte, dem verdrehten Lumpen der Krawatte, dem zum Umblättern der Zeitungsseiten spuckenassen Daumen, dem übertriebenen, klimpernden, schaurigen Talmischmuck der Mutter: mir tat ihr schlechter Geschmack weh, Herr Hauptmann, mir taten die hinfälligen Möbel weh, die hausgemachten Liköre, das dichte, unendliche, vorwurfsvolle Schweigen bei Tisch, mir tat ihre übertriebene Unterwürfigkeit angesichts meiner Schwiegereltern weh, die stummen Bitten um Verzeihung, die Art, wie sie redeten, wie sie sich verabschiedeten, wie sie die Hand ausstreckten. Mir tat es weh, abrupt von den Häkelovalen zu den Perserteppichen zu wechseln, ohne bei einem davon vor Anker zu gehen, weder der Clown aus Porzellan noch die Konsole aus dem achtzehnten Jahrhundert zu sein, mir tat vor allem (ich wette, Sie halten das für idiotisch, ich wette, Sie werden darüber lachen, ich wette, Sie werden mich bescheuert finden) die imposante Küchenuhr über der Tür zum verglasten Balkon weh, die mit ihrem Zifferblatt, das einen Topf nachahmte, und ihren Zeigern, die ein Messer und eine Gabel aus Aluminium waren, langsam die Zeit aufaß.
    – Man hört hier so schlecht wegen der Maschinen, klagte der Alte schreiend. Was ist das für eine Geschichte mit Brasilien?
    – Ich habe erst letzten Monat so eine Uhr bei einer Versteigerung gekauft, sagte der Soldat. Hübsch sind die.
    – Warte mal, ich mache schnell die Tür zu, vielleicht höre ich dich dann besser, brüllte der Vater verzweifelt, und der Leutnant stellte sich ihn vor, wie er schwer durch das Büro stapfte, die Zigarette im Mund, mit den ungeputzten Stiefeln auf die Bohlen und die losen Blätter trat, stellte sich vor, wie er die Treibhaustür zuzog, die ihn von der Werkstatt trennte, stellte sich vor, wie er
die Brille auf den Tisch legte, den schlechtrasierten Bart am Kinn kratzte, verblüfft das Telefon ansah, widerwillig den Hörer wieder in die Hand nahm: Sohn? Bist du noch da, Sohn?
    – Falls Inês etwas brauchen sollte, die Arme, spottete der Oberstleutnant mit gepreßt hoher Stimme, falls ihr orientalischer Luxus fehlt, der Armen, falls sie nach meiner Zärtlichkeit weint, die Arme: und Sie, Sie Esel gucken zu und machen nichts, was?
    – Die funktionieren einfach großartig, erklärte der Soldat. Der Motor geht nie kaputt, statt zu läuten, klappern sie alle halbe Stunde wie Töpfe und alle Stunde wie Bratpfannen, ich verstehe überhaupt nicht, was Sie gegen die haben, Herr Leutnant.
    – Erzähl noch mal von vorn, befahl der Vater, vielleicht begreife ich ja jetzt alles richtig. Ein Flugzeug nach Brasilien?
    – Was so ist, als würde man sagen, Bleiben Sie ruhig sitzen, Sie Schwachkopf, wütete der Oberstleutnant, während ich es der Chefin kurz mal besorge. Trinken Sie, was Sie wollen, rauchen Sie, was Sie wollen, passen Sie, wenn Sie wollen, auf Ihre Tochter auf, rufen Sie nach Herzenslust den Diener, aber stören Sie uns nicht: das Weibsbild lacht doch noch über Sie, das Weibsbild macht Sie im großen Stil zum Gespött, und Sie lassen sich einfach veräppeln, verschaukeln, was für ein Affentheater.
    – Das Militär nimmt einfach wegen nichts und wieder nichts Leute fest? wunderte sich der Vater. Mir ist von keinem einzigen aus der Nachbarschaft zu Ohren gekommen, daß er festgenommen wurde.
    Der Armeelastwagen verschwand dort oben auf der nassen Straße hinter einem kleinen ausgehungerten Wald, die Gezeiten rissen bereits den Körper der alten Frau mit Schlammplacken,

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