Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
Vom Netzwerk:
weggehen werde, Ich werde heute abend nach Brasilien fliegen, Ach, Tante Ilka, bat Inês die Dame mit dem lila Haar (und die andere lächelnd, Ja, mein Schatz?), ich bin ganz erschöpft von all diesen Emotionen, darf ich mich oben einen Augenblick hinlegen?, das Porträt von Maurice Chevalier nickte aus dem Rahmen, Machen Sie sich keine Sorgen, Mutter, sobald ich dort bin, werde ich Ihnen schreiben, die Dame des Hauses ging schlängelnd auf ihn zu, und der Leutnant dachte, Wie alt du bist, Teufel auch, wie verrottet unter all der Schminke und den Cremes und den Hüfthaltern, aber er nahm einen Cognac an, aber er nahm noch ein Schälchen salziger Kekse an, aber er setzte sich in einen alten Schaukelstuhl, der leichte Decksunsicherheiten schwankte, aber ich unterhielt mich mit ihr über die Revolution, aber ich redete mit ihr über die Kommunisten, aber ich war mit ihr traurig darüber, daß Mane im Gefängnis saß, so etwas Bösartiges, der Arme, ein so guter Mensch, der hat es nicht verdient, eine Bande langhaariger
Soldaten ist einfach zur Tür hereingestürmt, man stelle sich die Ungerechtigkeit von so etwas vor, man stelle sich einmal vor, wie gräßlich das ist, man stelle sich einmal den Schrecken vor, nicht zu glauben, daß die Amerikaner dieser Unerhörtheit zustimmen, nicht zu glauben, daß die Spanier nicht eingreifen, die Dame mit dem lila Haar empörte sich, beunruhigte sich, pickte Erdnüsse, Zum Glück arbeitet Greg in Paris, zum Glück weiß Greg nichts von alldem, und der Leutnant schloß die Augen, und da waren die kleinen, bedeutungslosen Häuser von Vila Franca im Nebel, da war der Fluß, da waren die zerfetzten Körper am Hang, und die kleinen Motorboote stolperten heiser zwischen den Ufern, da war der Armeelastwagen, der sich entfernte, der Schlamm und die Bronchitis der Frösche, die durch die dunklen Einschußlöcher in meinen Körper drang, weder eine Ohrfeige noch einen auf die Schnauze, mein Freund, diese ganze Zeit in Carcavelos hatte mich abgeschliffen, hatte mich vervollkommnet, hatte mich mit Lack überzogen, und so stimmte ich zu, schüttelte den Kopf, trank noch mehr Cognac, biß in noch mehr Kekse, Wirklich, so ein Glück für Greg, verdammt, in seinem Alter (schon dreiundachtzig? das kann ich nicht glauben) bringen solch schreckliche Sachen sogar einen Engländer durcheinander, wie gut, daß er nicht genau weiß, was los ist, wie gut, daß die Nachrichten abgeschwächt, abgemildert ins Ausland gelangen, die gierigen gelben Krebse der Flut spazierten über den zerborstenen Puppenkopf Marianas, Sie werden ihre Augen fressen, dachte der Leutnant, von Panik erfaßt, versuchte sie mit seinen unbeweglichen Armen zu schützen, Dürfte ich bitte meinen Vater anrufen, um ihm zu sagen, daß ich wegfahre? bat er, indem er mit dem Kinn auf den Apparat wies, die Krebse hielten gallertartige Eingeweidestückchen in den Zangen, trugen sie langsam, mühsam, begehrlich in den Schlick am Grund, Krebse und durchsichtige Fische und Wassersalamander und eine fremdartige Rasse von Aalen oder Schlangen, Sie werden ihr die Knochen aussaugen, die Fingernägel, das halbe Dutzend Sehnen, die Haarsträhnen, Du
bist und bleibst ein Spezialist fürs Gruselige, meinte angewidert der Funker, solange du dir nicht mit finsteren Episoden das Leben schwermachen kannst, gibst du keine Ruhe, er hörte das Geräusch des sich füllenden Schwimmbeckens im Garten, die Sirene eines Krankenwagens in der Ferne, der Pudel reckte und streckte sich, schnüffelte vage an seinen Fußknöcheln, fiel wieder gleichgültig in sein Koma zurück, er wählte die Nummer der Druckerei und sah die zu den Maschinen gebeugten Männer, das monotone Geräusch, die milchigen Lampen an der Decke, den Schmutz, den Staub, die ewig von einer dunklen Schicht überzogenen Fensterscheiben, das dreckstarrende Büro des Alten, die Dame mit dem lila Haar erhob sich, drückte die Zigarette aus, und der im Aschenbecher gekrümmte Filter färbte sich mit Lippenstiftrot, Ich sollte vielleicht mal hinauf ins Schlafzimmer gehen und nachsehen, ob Inês etwas braucht, finden Sie nicht auch?, es klingelte zwei- oder dreimal, und dann die undeutliche, grobe Stimme des Vaters, Ja, bitte?
    – An Ihrer Stelle hätte ich mich persönlich von ihnen verabschiedet, bemerkte tadelnd der Soldat, an Ihrer Stelle wäre ich nicht abgehauen, ohne vorher die Familie zu besuchen.
    – Hattest du Angst, daß das Militär es ahnte und auf dich wartete? fragte der Funker. Hattest du

Weitere Kostenlose Bücher