Fado Alexandrino
sich in merkwürdigen Posen über die Tresen, der eine oder andere Manager flatterte sterbend auf dem Schreibtisch, versuchte mit den Fingern den Fensterriegel zu erreichen, schlug mit dem Kopf gegen irgendeine Lithographie, stürzte, sich in Krämpfen windend, zu Boden, wedelte mit den Alpakaflügeln der Jacke, aus denen sich Pollen von Kreditkarten und Traveller-Schecks lösten, blieb am Ende reglos mit dem Ausdruck einer Fliege auf den Glassümpfen seiner Brille liegen. In dem mit Destillierkolben, Öfen, Retorten, Thermometern und Gasflammen gespickten Labor im Keller rollten sich Chemiker in grünem Kittel, von dunklen, tödlichen Dünsten benebelt, in den Ecken ein wie vertrocknete Käfer. Die Leute verließen unter Erbrechen, mit an die Stirn gelegter Hand die nahen Restaurants, die Schiffe, die an diesem Abschnitt des Kais festgemacht hatten, vergingen in saurem körnigem Rost, am Rumpf brachen ihnen eiternde Wunden auf, sie gingen mit dem schwefligen Scheppern nutzloser Dosen unter, und zerfranste Schornsteine ragten, Kohleblüten gleich, aus dem Wasser. Jeden Morgen fegten energische Angestellte mit Gasmasken im Gesicht Dutzende von hohlen, leeren, porösen Leichen auf die Straße, die vor den Besen herschwebten wie Platanenblätter und von einem rheumatischen Lastwagen quietschend zu irgendeiner Müllkippe am Stadtrand transportiert wurden, auf der Kinder sich damit vergnügten, mit toten Managern und Chemikern zu spielen, denen die Gebisse in einer Backenzahndiarrhöe aus den Kiefern rieselten. Drei oder vier Monate lang hörte der Leutnant nichts
von Inês, von Mariana, von den Schwagern, denen das Kokain die Pupillen und das Lächeln weitete, von den Portugiesen, die ihr Silber und ihre Ringe für einen Apfel und ein Ei an hingerissene Pfandleiher verkauften, von den Typen, die die Revolution für eine von perverser kommunistischer Bosheit ausgeheckte persönliche Beleidigung hielten, die sich Rußland als die finstere Inkarnation der Hölle vorstellten und darauf warteten, daß die Heilige Jungfrau von Fátima Hämmer und Sicheln in eine gelassene, fromme, magische Wolke aus einem Chorherrenweihrauchfaß verwandelte. Er hatte mittlerweile Freundschaft mit einem libanesischen Biologen geschlossen, dem Autor einer sechsbändigen, enggeschriebenen Doktorarbeit über die sexuellen Abartigkeiten von Gänsen, der ein Zimmer neben der Toilette der Pension bewohnte, das von dem ständigen Geruch von uralten Kothaufen durchdrungen war, und begleitete diesen genauen und klarsichtigen Kenner der fleischlichen Lüste und des intimen Elends der Vögel von Bar zu Bar und von Bier zu Bier, hörte die Nacht an meinem Hals keuchen, die Schiffe, die wie verletzte Bullen schrien, die Streitereien zwischen Kellnern und Huren, ein Klavier im Schatten, Hemdmanschetten über den Tasten, Finger, die sich zurückzogen und vorschnellten, amerikanische, englische und spanische Musikstücke, die uns den Nacken umschlingen wie Ranken, nie habe ich mich so gut gefühlt trotz des Sodbrennens und des Kratzens im Hals, trotz des beharrlichen, weinerlichen Berichts von abrakadabramäßigen Federkoitussen, nie hast du mir gefehlt, Tochter. Der Libanese bereitete zu den sechs vorangegangenen eine kleine Vorschau in drei kompakten Bänden vor, schrieb, auf dem Bett sitzend, von großen Büchern mit Stichen (Pfaue, Truthähne, Schwäne, Kakadus und Strauße), Branntweinflaschen, Notizheften, Brotkrumen, Flecken, Tabakkrümeln umringt, auf den Knien, am Kopfende das Bild einer alten Frau, unzählige Bücher wahllos auf dem Boden verstreut, das einzige Fenster ging in einen Innenhof oder eine labyrinthische Folge von Gärten, die sich zwischen mit Herpes befallenen
Häusern zu den Docks hin verflüchtigten, dort unten an der Promenade krümmten sich beschämt die Wellen in sich zusammen, der kleine Spiegel an der Wand reflektierte Gebäude, Balkone, Wolkenrollen, den schmutzigen Himmel, Rauch, der Libanese dissertierte mit erhobenem Zeigefinger verzückt über verschiedene, undenkbare, wollüstige Arten des Koitus bei Perlhühnern, die er mit Bleistiftzeichnungen auf Briefumschlägen der Brasilianischen Akademie für Ornithologie darstellte, ich hörte ihm auf der Bettkante sitzend entgeistert zu, probierte zum Zeitvertreib die verschiedenen, auf den Bettüchern verteilten Flaschen staubigen Branntweins, bis ich eines Tages, ohne mir dessen recht bewußt zu werden, die Pensionsbesitzerin bat, telefonieren zu dürfen, eine magere, nervöse
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