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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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dann zusammen, hielten einander im Arm, rauchten, sahen die Pferde des Karussells an der Decke, verbrachten Stunden damit, die Ohrringe Ihrer Gattin auf dem Bettuch, die Perlen der zerrissenen Kette, die Unterhosen, ein Strumpfband zu suchen, Lucília habe ich nie wiedergesehen, klagte der Oberstleutnant, ohne zuzuhören, ich habe den mit dem Schnurrbart nie wiedergesehen, ich fing an, die Nachmittage im Bett zu verbringen, ohne etwas anzusehen, ohne an jemanden zu denken, bis ich in der Matratze Fleischwurzeln geschlagen hatte wie ein Fötus, mein Blut in der Plazenta des Bodens kreiste, ich dort unbeweglich zu einer Art Mineral oder Larve geworden war und vergebens darauf wartete, daß mir am Rücken Flügelfedern wuchsen, verstehen Sie, um fliegen zu können.

7
    – War sie also diese geheimnisvolle Frau? fragte der Leutnant streng den Funker. War sie also diese Geliebte, von der du uns nichts sagen wolltest?
    – Bei all den Löchern in den Dielen landen wir noch mal unten beim Nachbarn, flötete die Parfümwolke zerzaust, auf allen vieren auf dem Teppich, während ihr das Augenmake-up wie kriegerische Tätowierungen den Hals hinunter zu den Käselaiben der riesigen Brüste rann. Hilf mir die Handtasche finden, mein Schatz.
    – Sie müssen entschuldigen, Herr Oberleutnant, tadelte ihn der Soldat, aber den Herrn Kommandeur betrügen, das ist eine Schande.
    Anfangs trafen sie sich trotz der stummen, mißbilligenden Seitenblicke Esmeraldas, die sich von Hausaltar zu Hausaltar bekreuzigte, in der Wohnung hinter dem Vergnügungspark, schauten aus dem offenen Fenster den winzigen Schiffchen des Riesenrades und den roten und gelben Lampen der elektrischen Fliegenden Untertassen zu (Ehrenwort, er habe nur gewußt, daß ihr Mann beim Militär war, Ehrenwort, daß er nicht im Traum darauf gekommen wäre, um wen es sich handelte), doch das Rheuma der Parfümwolke vertrug sich schlecht mit der schmalen Matratze, mit meinem unruhigen Schlaf, der sie schüttelte und schubste, mit dem windigen Badezimmer und seinem einzigen Handtuch am Ende des Korridors hinter sieben oder acht schaurigen Kruzifixen und zig tönernen Heiligen, die im Dunkeln ihre anklagende Tugend phosphoreszieren ließen, vertrug sich schlecht mit den Motten, den Küchenschaben, den Giraffen, dem Staub, und sie mietete schließlich eine Wohnung in São Domingos beim
Park, in der Nähe der Eisenbahnschienen, die die Nacht mit heiserem, melancholischem Gemuhe und dem verschnupften Schniefen der Bremsen durchtosten.
    – Ich habe mal in einer Wohnung neben dem Park gewohnt, sagte Melissa, die Göttin des Striptease, und mußte vierzehn Tage später wegen des Lärmens der Raben wieder umziehen.
    – Wenn man aufstand, Herr Hauptmann, um Wasser zu trinken, sich im Bidet zu waschen oder zu urinieren, wenn man zum Balkon ging und die Nase an die Fenster legte und hinausschaute, dann sah man die unstete, dunkelgrüne Masse aus angespitzten Wipfeln, Ellenbogen von Zweigen, Laubschöpfen, und später, wenn ein fahler Lichthof die Stämme der Büsche voneinander trennte und die Fenster ganz allmählich quadratisch auf den gesichtslosen Zügen der Gebäude hervortraten, fielen Vogelfrüchte eine nach der anderen von den Bäumen, und die Raben begannen, im Kreis um die noch feuchten, ungeteilten Schatten der Stadt zu ziehen, schwebten über der Unruhe der Hunde und der herzkranken Wecker der schlafenden Notare und schrien sich ängstliche Kinderrufe zu. Raben mit gelben Augen und Schnäbeln, die gebogen waren wie die Fingernägel alter Menschen und die die zerschlissenen Regenschirme ihrer Flügel im heranwachsenden Morgen öffneten, Raben, die kamen, verschwanden, wiederauftauchten, die abgestoßenen Brüstungen und die Eisenarabesken der Balkone streiften, die die Wände berührten, sich kreiselnd entfernten, hurtig und düster zurückkamen und die Schlaflosigkeit der Menschen mit langem, nach Tod stinkendem Trauerflor einfärbten. In Afrika, dachte der Funker, waren die Raben größer und grausamer, dichter, fremder, waren mit mehr Drohungen und Vorahnungen beladen und tauchten nicht morgens, sondern zu Beginn der Nacht auf, in der unvermittelten, festen Nacht der Tropen, die schwer war von Salamandern, Schlangen, Insekten, von Tausenden wilden oder neutralen pflanzlichen Pupillen, die hörten, spähten, tasteten, sich langweilten, sezierten, und die greisen schwarzen Frauen, die verborgen in den Hütten knieten,
wiederholten, Ah, die Raben, und schüttelten die

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