Fado Alexandrino
Aquarium der Klinik etwas Gelbes, Zappliges, Winziges sah, dessen unmäßig aufgerissener Mund lautlos brüllte, dich. Ich werde gleich anfangen zu weinen, fürchtete er auf dem Flur, auf dem sich Geflüster, Besucher, Männer mehrten, die die Zigarette schamhaft in der Handfläche versteckt rauchten, Krankenschwestern, die immer in Eile waren, ein Herr im Kittel und mit kompetentem Aussehen, ich werde gleich vor all diesen Typen hier anfangen zu weinen, das Kind schlief jetzt mit geballten Fäusten genau wie ein halbes Dutzend weiterer Babys in Doppelwiegen, er klopfte verlegen, schüchtern, von Gefühl überwältigt an die Zimmertür und trat, ohne auf eine Antwort zu warten, ein.
– Ich habe zur rechten Zeit keine Kinder bekommen, Herr Hauptmann, sagte der Funker zu mir, während er das abgelöste Etikett eingehend betrachtete, und jetzt ist es zu spät, um noch welche zu kriegen. Es wird sich schon jemand finden, der, wenn
ich mal den Löffel abgebe, den ganzen Müll aus der Wohnung fegt.
Der Oberstleutnant erhob sich, die Majore, der Kaplan erhoben sich, die Offiziere klapperten in respektvoller Hast mit den Stühlen, er ließ langsam den Blick ziellos durch den Saal streifen, ernste Gesichter, kurzes Haar, verschlossene militärische Gesichter, ging schnell durch die Bar, in der die Ordonnanz ebenfalls in weißer Jacke hinter dem Tresen stand, im Hintergrund Spieltische, Nappaledersofas, schimmlige Schlachtenstiche voller Flecken schief an der Wand. Die diffuse Sonne beschien die Bäume im Hof mit dem kleinen Teich fauliger Goldfische zwischen Grünalgen, ein dickbäuchiger Oberleutnant grüßte ihn von fern. Er stieg, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zu seinem Büro hinauf, und der diensthabende Soldat, der auf einem Hocker an der Tür schlummerte, erhob sich gähnend. Vom Geschäftszimmer her hörte man tumultartige Verdauungsgeräusche: Sie stempeln, kopieren Akten, schreiben auf der Maschine, dachte der Oberstleutnant, und vor allem langweilen sie sich zu Tode, träumen hin und wieder von der Frau auf dem an einem Nagel aufgehängten alten Kalender, auf dem die Monate immer gleich glatt und nervtötend aufeinanderfolgen, die nackte blonde Frau, deren Körper wie ein lächelndes, busiges Fenster zu einem weiten Meer aus Fleisch war. Er drehte am Türknauf, der übliche Tisch, die üblichen Standarten, der übliche Schrank voller Aktenmappen, die er nie lesen würde, die er sich zu lesen weigerte, unendliche vertrauliche Berichte über Guinea oder Angola oder Mosambik, ausführliche Kommuniqués über die logistische Lage des Heeres, autoritäre, widersprüchliche Weisungen des Ministers an die Kommandeure der Militärregionen, Machen Sie dies, machen Sie das, und nichts, verstehen Sie, wurde tatsächlich getan, sagte er, indem er mit den Schultern zuckte, das Militär war eine Art schlaffe Maschine, die sich aus Trägheit langsam bewegte, kein Blut pulsierte mehr in diesem Ding, jahrelanger Krieg hatte sie einbalsamiert, ausgetrocknet, zerstört, die Leber, den Magen, die
Lunge, die Nerven durch eine Art lebloses Kapok ersetzt, verstehen Sie. Jahr um Jahr, zum Teufel mit Afrika.
– Ich ging manchmal dahin, Herr Hauptmann, gestand der Soldat, wenn ich Geld brauchte, um mit ihr auszugehen, sie ins Kino einzuladen, in ein Promenadencafé, an den Strand. Einmal, als wir gerade im Bett waren, da kam der Neger splitternackt angetanzt, hatte Kreidestriche und -spiralen auf die Brust gemalt und ist mit kleinen spitzen Schreien auch mit unter die Bettücher geschlüpft: ich habe eintausend Escudos damit verdient, es diesem Paar zu besorgen, das sich auf allen vieren gegenseitig unter Armbandgeklingel kratzte, sich die Hinterbacken abtastete, sich in den Hals biß und dabei auf französisch miaute. Natürlich habe ich Odete nie etwas davon gesagt, ich würde im Boden versinken, wenn sie so etwas nur vermuten würde.
Der Oberstleutnant trat, die Hände in den Taschen, ans Fenster: Abteilungen exerzierten, vom blutrünstigen Geheul der Offiziersanwärter angestachelt, auf dem Kasernenhof, der Wind wirbelte hin und wieder Staubstrudel auf, die gegen die Bäume, die Mauer und die in Bau befindlichen Gebäude gleich neben der Kaserne prallten, deren Fensterscheiben mit großen weißen Kreuzen markiert waren. Irgendwann, dachte er, wird es den Baumeistern gelingen, den Fluß zu überfallen mit ihren finsteren Blöcken, schwanger von erschöpften schläfrigen Familien, die sich morgens in
Weitere Kostenlose Bücher