Fado Alexandrino
kältestarren Haufen an der Bushaltestelle sammeln, wo ihre Atemwolken dem Raum ähneln, der bei den Geschichten in den Comic-Heften für die Worte vorgesehen ist. Ein riesiger Teppich von Stunden des Nichtstuns breitet sich beklemmend vor ihm aus, die Kaffee-mit-Milch-Farbe des Himmels sagt Regen voraus: dicke dunkle Walzen glitten über die ungleichen Dächer, eine Traube Fähnriche spielte in der Ferne auf dem Rechteck aus tausendmal geborstenem, von den silberfarbenen Armen der Platanen umringtem Zement Fußball. Ein Gefreiter mit Krücken humpelte mühsam, dicht am Gebäude entlang, zum Erste-Hilfe-Posten. Das Büro roch nach Wachs, Muff, fauligem
Papier und Altsein: er nahm den Hörer auf, Gekreische, ein rauhes Klicken, eine männliche Stimme, Ja? Meinen Wagen an den Hauptausgang, ordnete er scharf an, ich komme sofort herunter.
– Hin und wieder sah sie mich an, sagte der Soldat, legte den Kopf schief und meinte, Für jemanden, der Möbel schleppt, bist du ziemlich gut bei Kasse. Und ich, Ich hatte richtige Endzahlen bei der Lotterie, oder, Wir haben ein dickes Trinkgeld von einem ausländischen Kunden bekommen, oder, Ich habe das Geld für heute angespart, und kaufte ihr in der Filmpause ein Eis oder Karten für alle Karussells und alle Geisterbahnen der Feira Popular, wir beide mitten zwischen den Plastikskeletten und den unechten Gehenkten am Zuckerwatteessen. Desiré liebte es, sich als Frau anzuziehen, und kreiselte auf dem Teppich mit langen Nägeln, hochhackigen Schuhen und Perücke, rauchte amerikanische Zigaretten mit einem Schildpattmundstück, und der Herr ließ mich los, um sich an ihn zu klammern und völlig aufgeregt Je t’aime je t’aime je t’aime zu quieken. Sie hatten sich in der Metro in Paris kennengelernt, Herr Hauptmann, der Neger spielte Flöte auf einem Bahnsteig voller Bärtiger, die, um ein paar Escudos zu verdienen, das Pflaster bemalten, und der Alte hat sich auf den ersten Blick in ihn verliebt und ihn auf Kosten eines reichen Bruders mit nach Lissabon gebracht, eines unheimlich wichtigen Ingenieurs, Besitzers von Fabriken, Geschäften, der einen Krebs in den Eingeweiden hatte und durch ein Metallröhrchen im Bauchnabel kackte und seine Seele dafür gegeben hätte, um den Skandal eines warmen Bruders in der Familie unter Verschluß zu halten. Der Ingenieur hat ihn nie gesehen, wußte aber von ihm, weil er aus Almosen die Schmierereien kaufte, die der Herr malte, und sicher gleich anschließend verbrannte oder sie den Armen zu Weihnachten schenkte, der Oberstleutnant ging an dem noch geschlossenen Büro des zweiten Kommandeurs vorbei (Wetten, der ist da unten in der Messe beim vierten oder fünften Brandy, schon ganz rot, schon ganz wirr, bringt schon Worte und Hände durcheinander),
er stieg die Treppe hinunter, und da stand bereits der schwarze Wagen mit dem Fahrer am Steuer und dem wie üblich laut brüllenden Radio, ein winziger, magerer, sich beim Gehen wiegender Gefreiter, der im Zivilleben Taxifahrer und dem blonden Fahrer des vorangegangenen Kommandeurs gefolgt war, der im Monat zuvor seinen Militärdienst abgeschlossen hatte. Er stieg, ohne ihm Zeit zu geben, ihm die Tür aufzuhalten, in den Wagen und lehnte sich, vom ewigen Tabakgeruch angewidert, auf der dreckigen Rückbank zurück. Vielleicht würde es ja an diesem Nachmittag doch nicht regnen: kein Wind rührte jetzt die breiten Blätter der Bäume, die beweglichen Schatten druckten sich auf den Schotter, näherten sich einander und entfernten sich voneinander in wogender Deutlichkeit. Die Ohren des Fahrers beugten sich nach hinten wie die der Karussellpferde, warteten auf eine längst überfällige Anweisung, die Sehnen (oder Adern) am Nacken zitterten, der laufende Motor des Volkswagens hatte Schluckauf. Der Oberstleutnant drehte mit dem Stück, das von der kaputten Kurbel noch übrig war, das Fenster neben sich herunter und atmete ohne Begeisterung die trockene, staubige Luft des Hofes ein: Zu mir nach Hause, befahl er.
– Ich machte das damals häufig, sagte er zu mir, indem er die Stellung der kleinen Holzstückchen auf dem Tischtuch perfektionierte. (Wie viele weiße Haare, kurz und schütter, dachte ich, und am Hinterkopf geht dem Kerl schon das Haar aus.) Wenn ich noch eine Minute länger in der Kaserne herumgehangen hätte, wäre ich geplatzt, und daher fuhr ich zur Torre de Belém oder zum Hieronymuskloster oder zum Guincho-Strand oder zum Hafenkai in Alcântara und blieb den Rest des Nachmittags auf
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