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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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dem Rücksitz sitzen, rauchte Zigaretten und schaute aufs Wasser, auf die festgemachten Schiffe, die Grünalgen auf den Steinen und die Kinder. Nein, ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was der Gefreite davon halten könnte, den Gefreiten sollte der Teufel holen. Es wurde dunkel, und ich saß schweigend da, schaute die farbigen Streifen der Dämmerung an, die im Dunkel versinkenden
Fabriken in Cova da Piedade, die auf dem Ölschwarz der Wellen schwimmenden Lichter und ihre auf dem Kopf stehende, zersplitterte, gelbe Spiegelung. Und dann begann ich ganz allmählich die Gerüche zu verstehen, den fauligen Geruch der Ebbe, den freien, wilden Pferdemähnen- oder Jungmädchenhaarduft der Flut, den herben, harnigen Vaginalgeruch der Erde ohne Regen, den Hyazinthen- oder Verwesungsduft der vor Anker liegenden Fischkutter. Die kleine Glut der Zigarette, die zuckte und schrumpfte, die Typen, die in der Offiziersmesse ungeduldig auf mich warteten, den Löffel in der Hand zur Tür spähten, hofften, mich jeden Augenblick eintreten zu sehen, Der Mistkerl genießt sein Leben, und wir hier müssen seine Verrücktheiten ertragen, der Gefreite, der sagte keinen Mucks, ein- oder zweimal im Jahr hat er mich darum gebeten, hinter ein paar Büschen pinkeln gehen zu dürfen, doch an jenem Nachmittag kam, ohne daß ich es wollte, Zu mir nach Hause, aus meinem Mund, und Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, was für einen Ärger ich mir damit eingehandelt habe.
    – Es war nicht das erste Mal, daß mir so was passierte, ich konnte meilenweit gegen den Wind erkennen, was gespielt wurde, erklärte der Soldat, der sich an den Erdbeerbaumschnaps gemacht hatte und mit gierigen, zornigen Schlucken trank, aber für Geld schon. Bevor ich zum Militär kam, habe ich in einer Blechschmiedewerkstatt in Arroios gearbeitet, und da gab es einige, die ihr Gehalt am Cais do Sodré, auf der Avenida 24 de Julho und an der Praça da Ribeira aufrundeten: man lehnte sich einfach an einen Laternenpfahl, und das war’s, die Schwulen begannen sofort, einen zu umschwirren wie die Fliegen im Sommer, zweihundert Escudos, dreihundert Escudos, sechshundert Escudos, die gut angezogenen Alten ließen eintausend rüberwachsen für ein paar welke, schweigende, ängstliche, verstohlene Liebkosungen unter der nächstgelegenen Treppe, voller Angst vor den Polizeipatrouillen oder den Geheimpolizisten in Zivil. Die Kollegen hatten ihn eingeladen, sie zu begleiten. Komm mit, laß uns die Mümmelgreise
mal ein bißchen hochnehmen, doch er blieb außen vor, beobachtete sie von fern, auf eine Bank geflegelt, und half ihnen anschließend, das Geld in Bier und Schnecken in den dreckigen kleinen Spelunken der Unterstadt anzulegen, die von Schauerleuten, erschöpften Huren und betrunkenen Bettlern frequentiert wurden, während in einer von Seifenschaum beschlagenen Helligkeit der traurige Morgen aus dem Fluß erwuchs und die bleichen, verrosteten Häuser am Ufer mit seinem unentschlossenen Dunst färbte. Erst in Afrika, da sehen Sie mal, wie das Leben so spielt, Herr Hauptmann, habe ich die drei verloren und war dann derjenige, der zahlte.
    Der Oberstleutnant war seit einem Monat nicht mehr in der Wohnung gewesen, und das Gebäude kam ihm kleiner und älter vor, als er es in Erinnerung hatte, ein vierstöckiger Block gleich neben der Feuerwehrwache und ihrem roten Lastwagen- und Leiterprunk, an andere, ebenso bescheiden aussehende, mit Lebensmittel-, Mode- und Kurzwarenläden durchsetzte Blöcke geklebt. Die über der Straße im Zenit stehende Sonne löste die Schatten auf, eine Gruppe triefäugiger Straßenköter verfolgte mit weichen Schnauzen einen stolzen Hündinnenhintern. In den Lücken zwischen den Häusern glitzerte über den Dächern die strahlende Folie des Flusses, Friedhofskreuze, mikroskopische Büsche, winzige Gebäude, ewig weit entfernte Plätze.
    – Ich habe zwanzig Jahre dort gewohnt, sagte der Oberstleutnant, indem er seine dunklen, scharfen Pupillen in den Raum zwischen meinen Augen bohrte, und mir schien es so, als wäre mir bis dahin das Stadtviertel nie aufgefallen, als hätte ich die Fliesen, die Stuckschnörkel der Fassaden, die kleine Grünanlage mit dem Musikpavillon und die anämischen, vom heimlichen Pipi der Kinder und der Hunde verbrannten Wurzeln, die apathischen leeren Gesichter der Menschen nie bemerkt. Und daher stieg ich aus dem Wagen wie in ein unbekanntes, fremdes Land, in dem man zufällig gelandet ist, und fragte mich, Was

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