Fächergrün
Meine zwei Gesellen hab ich entlassen müssen. Es hat einfach nicht mehr gereicht. Zu viel Schwarzarbeit in unserer Branche, und für die richtig dicken Aufträge ist mein Betrieb einfach zu klein. Jetzt schlag ich mich halt mit einem Lehrling so durch. Aber ich komm rum. Heutzutage musst du froh sein, wenn dich keine dicken Schulden drücken. Wohnung gemietet, Werkstatt gemietet, meine Maschinen sind zwar alt, aber sie laufen ohne Probleme, kurz gesagt, mir langt’s noch naus.«
»Du schielst schon in Richtung Rente?«, lachte Lindt. »Wir beide auch. Die paar Jährchen halten wir locker durch, gell, Paul?«
»Zum Wohl!« Wellmann hob sein Weizenglas und prostete dem Schreinermeister zu.
»Schlimm, das mit den beiden Maiwalds«, sagte er. »Die hatten ab und an einen Auftrag für mich.«
»Ach so, das Mitgefühl ist rein geschäftlich.«
»Nein, nein. Au, das war wohl …«
»Keine Sorge, Otto, wir sind ja unter uns.«
»Entschuldigung, das ist mir halt so rausgerutscht. Ich bin echt gut ausgekommen mit ihnen, nur …«
»Was – nur?«
»Ha, knickerig waren sie halt schon. Wenn irgendwas nicht ganz hundertprozentig war, gab’s gleich einen Abzug an der Rechnung.«
»Bist du viel rumgekommen in ihren Häusern?«
»Überall, in der ganzen Stadt! Erst gestern, als sich das rumgesprochen hatte, da hab ich mit meiner Frau drüber gesprochen. Wir sind auf mindestens 15 Häuser gekommen, in denen ich für die zwei Brüder was gemacht hab. Meistens waren es kleinere Aufträge, Türen einbauen, Treppengeländer reparieren, Fußbodendielen ausbessern, was halt so anfällt im Lauf der Zeit.«
»Es sind sogar noch mehr Häuser«, sagte Lindt. »Manchmal frage ich mich, wie die beiden Alten das alles erschaffen konnten.«
Otto Stoll lächelte: »Ganz einfach, Oskar. Reich wirst du nicht von dem, was du einnimmst, sondern von dem, was du nicht ausgibst!«
»Und im Sparen waren die Brüder schon früher Meister«, pflichtete der Kommissar ihm bei. »Aber uns interessiert natürlich eine ganz andere Frage.«
»Wer’s war? Wer sie um die Ecke gebracht hat?«
»Wie kommst du denn darauf? Bisher haben wir doch noch gar nichts an die Öffentlichkeit gegeben.«
»Jetzt tu nicht so, Oskar. Wenn zwei Särge zum Tor rausgetragen werden und Haus und Hof tagelang voller Polizei sind, war’s bestimmt nicht die Sommerhitze.« Stoll zog ein blau kariertes Taschentuch heraus und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn.
»Wer dann?«
»Was? Wieso fragst du? Woher soll ich das wissen?«
»Du wohnst direkt gegenüber, in einem ihrer Häuser, und das seit über 30 Jahren, kurzum, du bist ein idealer Zeuge.«
»Ich? Vors Gericht? Jetzt mach aber mal einen Punkt, Oskar.«
»Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint, aber überleg doch mal, wen sollen wir denn fragen? Deine Frau und du, ihr habt sicherlich manches mitbekommen.«
»Das waren gute Kunden von mir, über die spricht man nicht schlecht.«
»An die Maiwalds hab ich eigentlich nicht gedacht, die sind ja schließlich Opfer und nicht Täter. Oder hatten die auch Dreck am Stecken?«
Otto Stoll begann herumzudrucksen. »Ja, wie soll ich das sagen. Wir können uns echt nicht beklagen. Meine Werkstatt ist ja auch in einem ihrer Häuser …«
»Aber bei anderen Mietern?«, hakte Lindt nach.
»Ich weiß wirklich nichts Genaues.«
»Ungenau reicht mir fürs Erste«, bohrte der Kommissar weiter.
»Also gut, es gab eine Zwangsräumung.«
»Bei euch im Haus?«
»Nein, gegenüber.«
»Also da, wo die Maiwalds selbst gewohnt haben.«
»Die Wohnung direkt darüber. Die Leute haben es ziemlich lautstark rumerzählt.«
»Hast du sie gekannt?«
»Vom Sehen halt, waren etwas verworrene Verhältnisse. Zuerst wohnte ein Ehepaar drin, die ließen sich scheiden, wie das halt so geht. Er zog aus, sie holte sich bald ’nen neuen Mann und der brachte seine zwei Kinder mit. Patchwork eben.«
»Ist ja nichts Besonderes. Wo war das Problem?«
»Die beiden Mädchen, die waren echt wild. Ich hab’s selbst mitbekommen, als ich bei den Maiwalds im Büro einen Fenstersims reparieren musste. Ein Mordsgepolter von oben, die ganze Zeit, stundenlang. Der Anton hat sich immer wieder die Ohren zugehalten und geschimpft: ›So geht das jeden Nachmittag, sobald die Kinder aus der Schule kommen. Die Erwachsenen sind beide zur Arbeit und die Mädchen machen da oben, was sie wollen. Ich halt das nicht mehr aus.‹«
»Ist die Sache eskaliert?«
»Auch außerhalb der Wohnung waren
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