Fahr zur Hölle Mister B.
des Felsens abzumessen.
Sie waren jung, die beiden; jung genug, dass sie zu dieser frühen Stunde an die Liebe dachten und das unbequeme Versteck kein Hindernis für sie darstellte: die verstreuten Steine, das taufeuchte Gras.
Ich duckte mich keine drei Schritte von ihnen entfernt, doch weder das Mädchen, das der prachtvollen Kleidung nach zu schließen entweder eine ausgezeichnete Diebin war oder aus einer reichen Familie stammte, noch der Liebhaber, der entweder ein schlechter Dieb war oder aus einer armen Familie stammte, bemerkten mich. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, alle äußeren Zeichen von Wohlstand oder Familienzugehörigkeit abzulegen und in ihrer Nacktheit als zwei Gleichgestellte das wonnevolle Spiel der Vereinigung ihrer Leiber zu spielen.
Rasch fanden sie heraus, was am besten war. Ihr Gelächter wich ernstem Flüstern, als hätte ihre gemeinsame Tat etwas Heiliges; als würden sie mit ihrer Vereinigung des Fleisches ein heiliges Ritual begehen.
Ihre Leidenschaft erregte mich, zumal ich sie so kurz nach dem Fiasko mit Caroline zu sehen bekam. Nachdem das gesagt ist, muss ich Ihnen versichern, dass ich nicht die Absicht hatte, sie zu töten. Ich wollte lediglich die Kleidung des Jungen, um die Hinweise auf meine eigene Herkunft damit zu verbergen. Doch sie benutzten seine und ihre Kleidung als weiche Unterlage auf dem unebenen Boden, und schon bald wurde mir klar, dass sie so schnell nicht zum Ende kommen würden. Wenn ich die Kleidung wollte, musste ich sie unter dem Paar hervorziehen.
Ich kroch mit ausgestreckter Hand zu ihnen und hoffte, das schwöre ich, ich könnte seine Kleidungsstücke unter ihnen wegziehen, solange sie noch wie zusammengeleimt dalagen, und mich zurückziehen, bevor –
Egal. Wichtig ist nur, es kam anders, als ich es geplant hatte. Wenn ich es recht bedenke, kam eigentlich immer alles anders, als ich es plante.
Das Mädchen, diese törichte Schönheit, flüsterte dem jungen Mann etwas ins Ohr, worauf sie sich herumrollten, weg von dem Felsen, hinter dem wir uns alle drei verbargen, und damit von den Kleidungsstücken herunter, die ich wollte. Ich ließ ihnen keine Zeit, sich wieder zurückzurollen, sondern streckte den Arm aus und zog die Sachen ganz langsam zu mir, damit die beiden es nicht bemerkten. In dem Moment führte das Mädchen aus, was sie ihm zweifellos ins Ohr geflüstert hatte. Sie rollten sich abermals herum und sie kletterte auf seinen Unterleib, damit sie ihre Lust besser genießen konnte. Dabei fiel ihr Blick auf mich. Sie riss schon den Mund auf, um zu schreien, doch dann fiel ihr offenbar noch rechtzeitig ein, dass sie sich ja hier versteckte.
Zum Glück hatte sie ihren heldenhaften Partner unter sich dabei, der offenbar ahnte, dass nicht alles gut war, als sich das Mädchen so plötzlich verkrampfte, die Augen weitete und mich direkt ansah.
Selbst da wäre ich noch fortgelaufen, hätte ich mir die Kleidungsstücke des Jungen schnappen und fliehen können. Aber nein. Nichts in meinem Leben war je einfach, und dieser kleine Diebstahl bildete keine Ausnahme. Der heldenhafte Narr – der zweifellos die ewige Bewunderung des Mädchens gewinnen wollte – glitt unter ihr weg und griff nach einem Messer, das inmitten seiner Kleidung lag.
»Nicht!«, sagte ich.
Ich schwöre bei allem, was mir unheilig ist, ich warnte ihn mit diesem einen Wort.
Natürlich hörte er nicht auf mich. Immerhin sah seine Herzensdame bei allem zu. Er musste um jeden Preis tapfer sein.
Er zog das Messer aus der Scheide. Es war ein kurzes, unhandliches Ding, wie seine baumelnde Männlichkeit.
»Es gibt keinen Grund, zu kämpfen«, sagte ich selbst da noch. »Ich will nur dein Hemd und die Hose.«
»Die kriegst du aber nicht.«
»Sei vorsichtig, Martin«, sagte das Mädchen, das mich genauer ansah. »Das ist kein Mensch.«
»Doch, ist er«, sagte der Liebhaber und hieb mit dem Messer nach mir. »Er ist nur schlimm verbrannt, das ist alles.«
»Nein, Martin, sieh doch! Er hat Schwänze! Er hat zwei Schwänze!«
Offenbar hatte der Held dieses Detail übersehen, daher half ich ihm auf die Sprünge, indem ich sie auf beiden Seiten meines Kopfes emporschlängelte und die Spitzen auf ihn richtete.
»Jesus Christus, steh mir bei«, sagte er und stürzte sich auf mich, ehe ihn der Mut verließ.
Zu meiner großen Überraschung bohrte er mir das kleine Messer tatsächlich bis zum Heft direkt in die Brust und drehte es, als er es wieder herauszog. Das bereitete mir Schmerzen;
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