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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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als er mit dem Schädel gegen den Felsen stieß, sprang rasch auf und stellte mich auf einen Faustkampf mit ihm ein. Doch das erwies sich als unnötig. Er rutschte an dem Felsen hinunter und aus der klaffenden Wunde, wo sein Schädel bei dem Aufprall gebrochen war, lief Blut. Seine Augen waren weit geöffnet, doch er sah weder mich noch seine Herzallerliebste, und auch sonst nichts mehr in dieser Welt.
    Hastig hob ich seine Kleidung vom Boden auf, bevor sein Leichnam darauf sank und sie mit Blut besudelte.
    Das Mädchen ließ ihre vergeblichen Gebete sein und starrte den toten jungen Mann an.
    »Es war ein Unfall«, versicherte ich. »Ich hatte nicht die Absicht …«
    Sie machte den Mund auf.
    »Nicht schreien«, sagte ich.
    Sie schrie. Herrgott, und wie sie schrie. Ein Wunder, dass bei diesem Schrei die Vögel nicht tot vom Himmel fielen. Ich versuchte nicht, sie daran zu hindern. Ich hätte ihr nur ebenfalls das Leben genommen, doch sie war selbst in ihrem hysterischen Zustand zu liebreizend, um ihr junges Leben zu verlieren.
    So schnell ich konnte, zog ich die Sachen des toten jungen Mannes an. Sie stanken nach seinem Menschsein, seinen Zweifeln, seiner Lust, seiner Dummheit; das alles steckte in den Fasern seines Hemdes. Wonach seine Hosen stanken, will ich Ihnen lieber gar nicht erst erzählen! Aber er war größer als ich, was sich als nützlich erwies. Ich konnte meine Schwänze einrollen und in die Hose stecken, einen an jede Pobacke gepresst, womit sie wirkungsvoll vor Blicken verborgen blieben. Während seine Kleidung zu groß für mich war, waren seine Stiefel zu klein, daher musste ich sie zurücklassen und barfuß gehen. Meine Füße waren eindeutig dämonisch, schuppig und mit drei Klauen versehen, doch ich musste das Risiko eingehen und hoffen, dass das niemandem auffiel.
    Das Mädchen – muss ich es eigens erwähnen? – kreischte immer noch, obwohl ich ihr keinen Anlass gegeben hatte, mich zu fürchten, abgesehen von meiner beiläufigen Bemerkung, dass ich sie mit einem Schwanz erwürgen würde, und der Tatsache, dass ich ihrem Lustknaben aus Versehen den Schädel eingeschlagen hatte. Erst als ich mich ihr näherte, hörte sie mit dem Geschrei auf.
    »Wenn du mich folterst –«
    »Ich muss –«
    »Mein Vater hetzt dir Mordbuben auf den Hals, die dich, wenn es sein muss, bis in die Hölle verfolgen. Die kreuzigen dich kopfunter und grillen dich langsam über offenem Feuer.«
    »Ich fürchte mich nicht vor Nägeln«, erwiderte ich. »Oder vor Flammen. Und die Mordbuben deines Vaters dürften mich schwerlich in der Hölle finden, also schickt sie gar nicht erst hin. Die werden nur lebendig aufgefressen. Oder Schlimmeres.«
    »Was könnte schlimmer sein, als lebendig aufgefressen zu werden?«, fragte das Mädchen, dessen Augen groß wurden – aber nicht vor Angst, sondern vor Neugier.
    Ihre Frage stellte mein Gedächtnis auf die Probe und offenbarte Lücken. Als Knabe hatte ich die 47 Foltern in der Reihenfolge zunehmender Qualen so schnell und vollkommen fehlerfrei herunterbeten können, dass man mich geradezu als eine Art Wunderkind betrachtete. Jetzt fielen mir leider kaum mehr als ein Dutzend Qualen auf der Liste ein.
    »Glaub mir einfach«, sagte ich. »Es gibt viel Schlimmeres, als lebendig aufgefressen zu werden. Und wenn du verhindern willst, dass Unschuldige leiden, dann solltest du den Mund halten und keinem je erzählen, dass du mich gesehen hast.«
    Sie sah mich mit der überragenden Intelligenz einer Made an. Ich beschloss, keine Zeit mehr mit ihr zu verplempern. Ich sammelte ihre Kleidungsstücke vom Boden ein.
    »Die nehme ich mit«, sagte ich.
    »Ich friere mich zu Tode.«
    »Sicher nicht. Die Sonne wird schon recht warm.«
    »Aber ich bin doch ganz nackt.«
    »Ja, das stimmt. Und wenn du in diesem Zustand nicht durch die Menge dort unten laufen möchtest, bleibst du besser hier außer Sichtweite, bis jemand kommt und dich findet.«
    »Hier findet mich niemand.«
    »Aber natürlich«, versicherte ich ihr. »Weil ich es ihnen erzählen werde, in etwa einer halben Stunde, wenn ich wohlbehalten auf der anderen Seite des Feldes angelangt bin.«
    »Versprochen?«
    »Dämonen geben keine Versprechen. Und wenn doch, halten wir uns nicht daran.«
    »Nur dieses eine Mal. Für mich.«
    »Also gut. Ich verspreche es. Du bleibst hier, und nach einer Weile kommt jemand damit her und holt dich.« Ich hob das Kleid hoch, das sie vor wenigen Minuten noch so bereitwillig ausgezogen hatte. »Warum

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