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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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gleichzeitig jedes noch so unbedeutende Detail mit einer Deutlichkeit, dass ich eine Liste davon hätte machen können. Und alles war wunderschön. Jedes Blatt, ob makellos oder angenagt; jede Blume, ob unberührt oder zertreten; jede glänzende Schwäre im Antlitz von Pockengesicht und jede Wimper seiner verklebten Augen: Mein wacher Blick traf keine Unterscheidung zwischen ihnen. Alles war exquisit und in sich perfekt.
    Die Vision war nicht von Dauer. Sekunden später verschwand sie. Doch das spielte keine Rolle. Sie gehörte jetzt für alle Zeiten mir; mit einem jauchzenden Freudenschrei rannte ich auf Pockengesicht zu und hob dabei Quitoons Schwert über den Kopf. Pockengesicht kam mir entgegen und hielt den Speer vor sich. Ich holte mit dem Schwert in hohem Bogen aus und schlug 30 Zentimeter oder mehr von Pockengesichts Speer damit ab. Er zögerte und wäre möglicherweise geflohen, hätte er die Möglichkeit bekommen, doch das Schwert und ich hatten andere Pläne mit ihm. Ich hob das Schwert, schlug ein zweites Mal damit zu und teilte den Rest der Hellebarde, die Pockengesicht noch in der Hand hielt. Ehe er Zeit hatte, den kümmerlichen Stummel der Waffe wegzuwerfen, holte ich zum dritten Schlag aus und trennte ihm die Hände an ihren Gelenken ab.
    Oh, Dämonation, wie er schrie! Seine Gesichtsfarben – Blau und Schwarz mit orangeroten Streifen – leuchteten so strahlend wie das Blut, das aus den Stümpfen spritzte. Was für eine Schönheit verbarg sich in seinen Qualen; mein Entzücken kannte keine Grenzen. Selbst als die Menge hinter ihm in rachsüchtiges Gebrüll ausbrach, sah ich so einen Liebreiz in den giftigen Farben – das Grün saurer Äpfel, galliges Gelb –, dass mir die Gefahr, in der ich mich befand, fern und nebensächlich erschien. Auch sie würde, das wusste ich, wunderschön sein, wenn sie akut wurde.
    Quitoons prachtvolles Schwert ließ sich von diesen Visionen nicht ablenken. Es sandte eine brutale Druckwelle durch meine Arme und Schultern in meinen verträumten Verstand. Das tat so weh, dass es mich aus meiner Entrücktheit riss. Die Farben, in denen ich mich regelrecht gesuhlt hatte, verdunkelten sich schlagartig, und ich befand mich wieder in der trostlosen Lüge des langweiligen Lebens, wie man es gemeinhin wahrnimmt, als trauriges, irdisches Jammertal. Ich versuchte, klare Luft einzuatmen, doch in meiner Kehle schmeckte sie tot und bleiern.
    Eine schlaffe, welke, aber verbiesterte alte Vettel feuerte die Männer um sie herum an.
    »Wovor habt ihr Angst?«, keifte sie. »Er ist nur einer. Wir sind viele. Wollt ihr ihn in die Hölle zurückkehren lassen, damit er dort prahlen kann, wie wir alle starr vor Angst vor ihm gestanden haben? Seht ihn euch an! Er ist nur eine kleine Missgeburt! Er ist nichts! Ein Niemand!«
    Sie besaß den Mut der Überzeugung, das muss man ihr lassen. Sie kam mir entgegen und wartete nicht erst darauf, ob ihre Worte die anderen zu Taten anstachelten, sondern ging auf mich zu und schwenkte einen knorrigen Ast. Obwohl sie eindeutig nicht bei Verstand war, schürten ihre Schmähungen gegen mich (ich sei nichts, ich sei ein Niemand) die Wut des Pöbels erneut. Sie folgten ihr alle, bis auf den letzten Mann. Zwischen mir und ihrem Zorn stand nur noch Pockengesicht, der sich umdrehte, als sie näher kamen, und ihnen seine triefenden Armstümpfe präsentierte, als könnte jemand in der Menge sie heilen.
    »Aus dem Weg!«, herrschte ihn die alte Vettel an und schlug mit dem knorrigen Ast auf seinen Oberkörper ein. Ihr Hieb war so heftig, dass der geschwächte Mann stolperte und sein Blut einige Gaffer um ihn herum besudelte. Eine andere Frau schien wütend zu sein, dass Pockengesicht ihr Kleid beschmutzt hatte, verfluchte ihn lautstark und schlug ihn ebenfalls. Diesmal ging er zu Boden. Ich sah ihn nicht wieder aufstehen. Ehrlich gesagt sah ich gar nichts, außer Leute mit wutverzerrten Gesichtern, die eine Mischung aus Frömmeleien und Flüchen brüllten, während sie sich um mich drängten.
    Ich hielt Quitoons Schwert mit beiden Händen hoch, um mir den Pöbel auf Schwertlänge vom Leib zu halten. Doch die Klinge hatte ehrgeizigere Pläne. Die Waffe schoss hoch empor über meinen Kopf, sodass meine dürftigen Armmuskeln unter der Last zu zucken anfingen. Mit erhobenen Händen war ich den Angriffen des Pöbels schutzlos ausgeliefert. Der ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Ein Hieb nach dem anderen traf meinen gesamten Körper, Äste brachen, wenn Leute mich

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