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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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aufgedrückt hatte. Damit lag ich ja so falsch, so falsch! Ich war mein eigener Palast, und jedes seiner Zimmer war voll von Wundern und Prunk, den nur ich zu sehen und zu benennen vermochte.
    Diese Erkenntnis dämmerte mir in der kurzen Zeit zwischen Quitoon Patheas Verschwinden und der Ankunft des Pöbels, und selbst heute, da ich so oft darüber nachgedacht habe, bin ich nicht sicher, weshalb. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich dem Tod an diesem Tag so oft von der Schippe gesprungen war. Zuerst durch Cawleys Bande, dann durch das Messer des liebeskranken Knaben und später durch die Menschenmenge von Joshua’s Field, und ihm nun abermals gegenüberstand – dieses Mal jedoch mit einer Waffe in der geballten Faust, von deren Handhabung ich rein gar nichts verstand, sodass ich erneut damit rechnete zu sterben –, dass ich mir dieses eine Mal die Freiheit gestattete, einen klaren Blick auf mein Leben zu werfen.
    Was auch der Grund gewesen sein mag, ich erinnere mich an das überwältigende Gefühl der Freude, als diese Vision der Welt in mir Gestalt annahm, eine Freude, der die Ankunft der Menschenmeute nicht den geringsten Abbruch tat. Sie drangen nicht nur von der Stelle, wo ich die Lichtung betreten hatte, sondern auch zwischen den Bäumen links und rechts davon hervor. Es waren elf und jeder trug irgendeine Waffe. Mehrere besaßen natürlich Messer, andere hatten Äste als behelfsmäßige Keulen abgebrochen.
    »Ich bin ein Palast«, sagte ich lächelnd zu ihnen.
    Das erntete eine Menge verwirrte Blicke von meinen Angreifern.
    »Der Dämon ist verrückt«, sagte einer.
    »Dagegen habe ich ein Heilmittel«, erwiderte ein anderer und schwang eine lange und schartige Messerklinge.
    »Heilmittel, Heilmittel«, sagte ich, als mir die Prahlerei des toten Soldaten wieder einfiel. »Heute hat offenbar jeder ein Heilmittel. Und wisst ihr, was?«
    »Was?«, fragte der Mann mit der schartigen Klinge.
    »Ich habe nicht das Gefühl, dass ich einen Arzt brauche.«
    Ein zahnloses Mannweib entriss dem Mann die schartige Klinge.
    »Gerede! Gerede! Zu viel Gerede!«, sagte sie und kam auf mich zu. Sie blieb stehen und hob das kleine Schwert auf, das der tote Soldat ins Gras fallen gelassen hatte. Die Hellebarde hob sie ebenfalls auf und warf beides in Richtung der Menge. Zwei Mitglieder eines Quartetts, das gerade erst aufgetaucht war, fingen sie auf: Cawley, Pockengesicht, Shamit und Pater O’Brien. Pockengesicht fing die Hellebarde und schien recht zufrieden mit dem, was ihm der Zufall in die Hände gespielt hatte.
    »Diese Kreatur hat meine Tochter ermordet!«, sagte er.
    »Ich möchte, dass er lebendig gefasst wird«, sagte Cawley. »Wer ihn mir bei lebendigem Leibe bringt, erhält eine stattliche Belohnung.«
    »Vergesst das Geld, Cawley!«, brüllte Pockengesicht. »Ich will seinen Tod!«
    »Denk an den Profit –«
    »Zum Teufel mit dem Profit«, knurrte Pockengesicht und stieß Cawley so fest vor die Brust, dass dieser in die Dornenhecke am Rand der Lichtung fiel.
    Der Priester versuchte, Cawley aus seinem Dornenbett herauszuholen, doch ehe er den Mann hochziehen konnte, stapfte Pockengesicht über die Lichtung auf mich zu und wieder zeigte die Hellebarde, mit der man mich schon einmal gequält und gepeinigt hatte, in meine Richtung.
    Ich schaute auf Quitoons Schwert hinunter. In meiner Müdigkeit hatte ich es sinken lassen, bis die Spitze im Gras verborgen war. Ich betrachtete Pockengesicht, dann wieder das Schwert und wiederholte die Worte, die ich nach meiner Offenbarung benutzt hatte.
    »Ich bin ein Palast.«
    Das Schwert erhob sich aus dem Gras, als hätten meine Worte es geweckt. Wo es die feuchte Erde berührt hatte, war es vom Blut gereinigt. Die Sonne stand inzwischen über den Bäumen und spiegelte sich in der Schwertspitze, als meine Sehnen endlich taten, wofür sie geschaffen waren und die Waffe hoben. Durch einen Trick, den nur das Schwert kannte, spiegelte sich das Sonnenlicht einen Moment so in der Klinge, dass die gesamte Lichtung vorübergehend von gleißendem Licht erfüllt wurde. In dem grellen Glanz verharrten alle und jeder einige Herzschläge lang vollkommen reglos und ich sah alles mit einer Klarheit vor mir, um die mich wohl der Schöpfer selbst beneidet haben würde.
    Ich sah alles – Himmel, Bäume, Gras, Blumen, Blut, Schwert, Speer und Pöbel – als betörende Aussicht vor dem Fenster meiner Augen. Und noch während ich das Panorama vor mir in seinem ganzen Glanz erblickte, sah ich

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