Fahr zur Hölle Mister B.
hatten die Narben vieler Jahre ihre Makellosigkeit stark beeinträchtigt.
»Willst du weiter Löcher in die Luft starren oder meine Frage beantworten?«
»Entschuldige.«
»Bist du hungrig? Ich bin so ausgehungert, ich könnte sogar Fisch essen.«
Fisch. Ekelhaft. Fisch war das Tier des Nazareners. Von jetzt an sollst du Menschenfischer sein, so stand es geschrieben. Bäh. Kein Wunder, dass ich beide Male, als ich versucht hatte, welchen zu essen, fast an den Gräten erstickt war.
»Na gut, kein Fisch. Brot und Fleisch. Wie wäre es damit?«
»Besser.«
Quitoon schüttelte sich wie ein nasser Hund. Tropfen von Helligkeit, die Reste der Kraft, die er heraufbeschworen hatte, flogen zwischen den Schuppen heraus und erloschen im Sonnenschein.
»So ist es besser«, sagte er.
»Ich … sollte … nein, ich meine, ich bin … sehr …«
»Was?«
»Dankbar.«
»Oh. Kein Problem. Wir dürfen uns von diesem Menschenabschaum nicht drangsalieren lassen.«
»Die haben mich übel zugerichtet.«
»Das heilt wieder«, sagte Quitoon sachlich.
»Selbst mit zwei Messerstichen ins Herz?«
»Ja, selbst damit. Erst wenn sie dich zerstückeln, wird es schwierig. Ich bezweifle, dass sich selbst Luzifer einen zweiten Kopf wachsen lassen könnte.« Darüber dachte er einen Moment nach. »Wenn ich es mir allerdings recht überlege, ist nichts unmöglich. Wenn man davon träumen kann, kann man es auch tun.« Er blickte mich an. »Kannst du laufen?«
Ich versuchte, so gelassen zu sein wie er. »Klar. Kein Problem.«
»Dann komm, gehen wir uns ansehen, wie der Erzbischof brutzelt.«
Feuer. In jeder bedeutenden Situation meines Lebens hat es eine Rolle gespielt.
Sind Sie denn bereit, noch ein letztes Feuer anzuzünden?
Sie haben doch sicher nicht gedacht, ich hätte es vergessen. Ich habe mich von meiner Geschichte ein wenig mitreißen lassen, aber die ganze Zeit, während ich sie erzählte, habe ich mir vorzustellen versucht, wie es sein wird, wenn Sie Ihr Versprechen einlösen.
Sie haben mir ein Versprechen gegeben; behaupten Sie nichts anderes.
Und sagen Sie nicht, Sie hätten es vergessen. Das würde mich nur wütend machen. Und ich hätte jedes Recht, wütend zu sein, nach all der Mühe, die ich mir gemacht habe, mich durch meine teils schmerzlichen Erinnerungen zu wühlen, nur um sie Ihnen mitzuteilen. Das hätte ich nicht für jeden getan, wissen Sie. Nur für Sie.
Ich weiß, ich weiß; das sagt sich so leicht.
Aber ich meine es ernst. Ich habe Ihnen mein Herz ausgeschüttet, wirklich. Das Eingeständnis fällt mir nicht leicht, dass ich so verwundet und schwach war und mich so leicht habe hinters Licht führen lassen. Ich habe es Ihnen erzählt, weil ich fand, als Sie die Tür meines Gefängnisses geöffnet haben und ich Ihr Gesicht sah, dass Sie vertrauenswürdig aussahen. Und ich vertraue Ihnen noch.
Sie werden dieses Buch bald verbrennen, richtig?
- - -
Ich interpretiere Ihr Schweigen als Zustimmung.
- - -
Sie sehen ein wenig verwirrt aus. Wieso das? Oh. Warten Sie. Schon kapiert. Sie gehen davon aus, dass alles schlüssig erklärt wird, ja; wie in einer Geschichte. Dies ist keine Geschichte. Geschichten haben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.
So läuft das bei dieser hier nicht. Es sind nur Erinnerungsfetzen, sonst nichts. Nein, das ist eigentlich auch nicht ganz richtig. Ich habe Ihnen Sachen erzählt, die mir sehr wichtig sind, weil es die Sachen sind, an die ich mich erinnere. Das Feuer, der Köder, Pappys Tod, meine erste Liebe (gewiss nicht meine letzte). Was auf Joshua’s Field geschah, wie ich Quitoon begegnete und wie er mir das Leben rettete. Das ist es im Großen und Ganzen.
Aber ich sehe Ihnen an, dass es nicht das ist, was Sie erwartet haben. Dachten Sie, ich würde Ihnen etwas über den Großen Krieg zwischen Himmel und Hölle erzählen? Die Antwort darauf ist ganz leicht: Es gab keinen. Ist alles päpstliche Propaganda.
Und ich? Na ja, offenkundig habe ich meine Verletzungen überlebt, sonst würde ich nicht in diesem Buch sitzen und Ihnen das alles erzählen.
Hm. Dabei frage ich mich … beim Gedanken, dass ich Ihnen etwas erzähle, drängen sich mir Fragen auf. Wie höre ich mich in Ihrem Kopf an? Haben Sie mir die Stimme von jemandem gegeben, den Sie immer gehasst haben, oder von jemandem, den Sie lieben?
Oh, warten Sie, höre ich mich an wie Sie? Hoffentlich nicht! Das wäre unheimlich, das wäre so unheimlich. Es wäre so, als würde ich gar nicht existieren; nur in Ihrem
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