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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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und behutsam auf ein Bett tintenfleckigen Holzes legte.
    »Was druckt Ihr gerade?«, fragte ich das Genie.
    Er nahm willkürlich eines von den zehn, zwölf Blättern herunter, die an einer Leine über uns zum Trocknen hingen.
    »Ich beginne mit der Bibel.«
    »Im Anfang war das Wort«, sagte ich.
    Zu meinem Glück kannte Gutenberg den Rest des Zitates, denn ich kannte nur die ersten fünf Worte aus dem Johannesevangelium. Kaum hatte ich sie gelesen, hatte ich das Buch wieder auf den Müll im Neunten Kreis geworfen, wo ich es gefunden hatte.
    »Und das Wort war bei Gott«, fuhr Gutenberg fort.
    »Das Wort «, murmelte ich. Dann sah ich den Erzbischof an. »War es ein bestimmtes Wort, was meint Ihr?«
    Er sah mich schweigend und höhnisch an, als wäre eine Antwort unter seiner Würde.
    »Ich frage ja nur«, sagte ich achselzuckend.
    »Das ist Dieter, mein Vorarbeiter. Sag guten Tag zu Mister B., Dieter.«
    Ein junger, kahler Mann mit einer Schürze und Händen, die von Tintenflecken und Abdrücken übersät waren, blickte auf und winkte mir kurz zu.
    »Dieter hat mich überzeugt, dass wir für den Anfang ein bescheideneres Projekt als die Bibel in Angriff nehmen sollten. Daher erprobe ich die Presse, indem ich ein Grammatiklehrbuch für die Schule drucke.«
    »Die Ars Grammatica? «, sagte ich, da ich die Worte auf der Titelseite gelesen hatte, die am anderen Ende des Raumes trocknete. (Mit meinen dämonischen Augen sah ich vieles, das menschlichen Augen verborgen blieb; Gutenberg war hocherfreut, dass ich den Titel des Buches kannte.)
    »Sie ist Euch bekannt?«
    »Ich habe sie studiert, als ich viel jünger war. Aber das Exemplar, das mein Lehrmeister hatte, war natürlich kostbar. Und teuer.«
    »Meine Druckerpresse macht teuren Büchern ein Ende, da man damit viele Exemplare von einer Platte herstellen kann, in der alle Buchstaben vorhanden sind. In umgekehrter Folge, natürlich.«
    »In umgekehrter Folge! Ha!« Aus einem unerfindlichen Grund gefiel mir das.
    Er streckte die Hand aus und zog ein weiteres der zum Trocknen aufgehängten Blätter herunter. »Ich habe Dieter überredet, etwas zu drucken, das nicht so langweilig ist wie eine Grammatik. Und so haben wir uns auf ein Gedicht aus den Sybillinischen Orakeln geeinigt.«
    Dieter hörte das alles mit. Er sah kurz auf und lächelte Gutenberg kurz und freundschaftlich zu. Gutenberg gehörte eindeutig zu den Männern, die die Zuneigung ihrer Angestellten genossen.
    »Wunderschön«, sagte ich, als Gutenberg mir die Seite reichte. Die Zeilen des Gedichts waren ordentlich und lesbar. Der Anfangsbuchstabe war nicht reichhaltig verziert, wie die Mönche es manchmal machten und deshalb Monate brauchten, um ein Manuskript zu vollenden. Doch die Seite besaß andere Vorzüge. Die Abstände zwischen den Buchstaben waren exakt gleich; durch die Form der Buchstaben konnte man das Gedicht wunderbar einfach lesen.
    »Das Papier fühlt sich ein wenig feucht an«, stellte ich fest.
    Gutenberg sah zufrieden drein.
    »Ein kleiner Trick, den mir jemand beigebracht hat. Man befeuchtet das Papier, bevor man es bedruckt. Aber das wisst Ihr natürlich. Ihr habt es mir im Traum gesagt.«
    »Und hatte ich recht?«
    »Oh ja, werter Herr. Ganz und gar recht. Ich weiß nicht, was ich ohne das Geschenk Eures Wissens angefangen hätte.«
    »Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte ich, gab Gutenberg das Blatt mit dem Gedicht zurück und schritt die ganze Länge des Raumes ab, vorbei an der Druckerpresse und zwei Männern, die emsig damit beschäftigt waren, Reihen spiegelverkehrter Buchstaben auf Holztabletts anzuordnen. Alle notwendigen Teile eines Satzes – die Groß- und Kleinbuchstaben, die Leerräume zwischen den Worten, die Ziffern, und zuletzt natürlich die gesamte Interpunktion – lagen auf vier Tischen verteilt, damit beide Männer arbeiten konnten, ohne einander in die Quere zu kommen. Im Gegensatz zu Dieter und seinen Kollegen, die an der Presse arbeiteten, die alle kurz aufgeschaut hatten, als ich eintrat, und sogar über meinen Spaß mit dem Erzbischof gelacht hatten, waren diese beiden so sehr in ihre Arbeit vertieft und blickten ständig auf ein handschriftliches Exemplar des Textes, auf den sie sich konzentrierten, dass sie nicht einmal aufschauten. Es war faszinierend, ihnen bei ihrer zweifellos anstrengenden Arbeit zuzusehen. Der Anblick versetzte mich fast in einen Zustand der Trance.
    »Alle Männer haben sich zur Geheimhaltung verpflichtet, damit kein anderer als wir

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