Fahr zur Hölle Mister B.
diese Presse nutzen kann«, erklärte Gutenberg.
»Sehr vernünftig«, antwortete ich.
Eben fällt mir ein, dass die großen Enthüllungen mehr oder weniger vorbei sind; es bleibt nur noch ein folgenschweres Geheimnis preiszugeben. Angesichts dieser Tatsache sollte ein kluger Mensch wie Sie, der fraglos die kleinkarierten Spielchen und Schulhofdrohungen satthat, die ich ab und zu von mir gab – mea culpa, mea maxima culpa –, sich die Frage stellen, ob jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt wäre, dieses Buch endgültig aus der Hand zu legen.
Ja, ich gebe Ihnen eine letzte Chance, mein Freund. Es mag eine sentimentale Anwandlung sein, aber an sich verspüre ich nicht den Wunsch, Sie zu ermorden, was ich, wie Sie inzwischen ja wissen, tun werde, wenn Sie zur letzten Seite gelangt sind. Ich bin Ihnen jetzt schon viel näher als zuvor, als ich Sie wissen ließ, dass ich mich Ihnen im selben Maße nähere, wie Sie die Seiten umblättern … Ich höre Sie beim Umblättern murmeln, und natürlich rieche ich Sie und schmecke Ihren Schweiß. Sie sind nervös, richtig? Ein Teil in Ihnen möchte meinem Wunsch entsprechen und dieses Buch verbrennen.
Wenn ich Ihnen einen gut gemeinten Rat geben darf: Auf diesen Teil sollten Sie hören. Der andere Teil, der Ihr Leben gefährdet, indem er trotzig und verstockt ein riskantes Spielchen mit mir spielt, dieser Teil ist das verzogene Kind in Ihnen, das sich Gehör verschaffen will. Was verständlich ist. Wir haben alle diese Reste der Menschen, die wir als sehr, sehr kleine Kinder waren, in unseren Köpfen.
Bitte hören Sie nicht auf diese Stimme. Auf den nachfolgenden Seiten kommt nichts wesentlich Interessantes mehr. Von jetzt an geht es nur noch um die Politik von Himmel und Hölle.
Die menschliche Geschichte ist zu Ende. Jetzt, da Sie das Geheimnis von Gutenbergs Werkstatt kennen, denken Sie vermutlich – und ich kann es Ihnen nicht verübeln –, das alles für eine Druckerpresse? Lächerlich. Nein, ich würde Ihnen nicht verübeln, wenn Sie dieses Buch aus reiner Wut verbrennen, weil ich Ihnen am Ende der Reise etwas präsentiert habe, das so bedeutungslos ist. Aber Sie können nicht sagen, dass ich Sie nicht gewarnt hätte. Gott allein weiß, wie oft ich Ihnen jetzt schon gesagt habe, Sie sollen vernünftig sein und dieses Buch aufgeben. Aber Sie mussten ja unbedingt abwarten. Sie haben mich gezwungen, mein Innerstes preiszugeben. Etwa die wirren Gefühle, die ich für Quitoon empfand, und die ich lieber für mich behalten hätte, jedoch aus Respekt vor der Wahrheit schilderte, weil man sie als Ganzes sehen sollte, nicht als zusammengestückelte Teile.
Na ja, jetzt ist es vorbei. Sie können das Buch immer noch verbrennen und sich darüber freuen, dass Sie es zum größten Teil gelesen haben. Es sind nur noch wenige Seiten übrig, wieso wollen Sie damit Ihre kostbare Zeit vergeuden? Sie kennen doch jetzt die geheimnisvolle Erfindung, hinter der Quitoon her war – eine Erfindung, die die Existenz dieses Buches überhaupt erst möglich machte.
So schließt sich am Ende der Kreis. Sie sind mir auf diesen Seiten begegnet. Wir haben einander auf dem Weg von den Müllhalden des Neunten Kreises in die Oberwelt, und weiter von Joshua’s Field zu meinen langen Wanderungen mit Quitoon, kennen und verstehen gelernt. Ich habe Sie nicht mit einer Liste der Orte gelangweilt, die wir damals besucht haben, weil wir uns auf die Suche nach neuen Erfindungen begaben, von denen Quitoon gehört hatte. Meistens handelte es sich um irgendeine Form von Kriegsgerät: Kanonen und Langbogen, Belagerungstürme und Rammen. Manchmal erwartete uns etwas Schönes am Ende unserer Suche. Zum Beispiel bekam ich so in den 1390er Jahren, glaube ich, die erste Cembalo-Musik zu hören. Ich habe den Überblick verloren. So viele Orte, so viele Erfindungen.
Wichtig ist nur eines: Die Reise ist zu Ende. Es gibt keine Straßen mehr zu beschreiten. Keine Erfindungen mehr zu sehen.
Wir sind wieder auf den Seiten angelangt, wo wir uns kennengelernt haben; besser gesagt, bei der Maschine, die solche Seiten zum ersten Mal hergestellt hat. Letztendlich ist es ein so kleiner Kreis, der sich schließt. Und ich bin darin gefangen. Sie nicht.
Also los. Gehen Sie, solange Sie noch können; Sie haben doch schon mehr gesehen, als Sie erwartet hatten.
Und bevor Sie gehen, reißen Sie diese Seiten heraus und werfen Sie sie in ein kleines Feuer, das Sie entzünden müssen. Dann leben Sie Ihr Leben weiter und vergessen
Weitere Kostenlose Bücher