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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Schüssel. Wir tauschten höfliche Bemerkungen aus. Ja, ihr Mann war tot. Sie war sehr religiös. Zur Suppe gab es Cräcker, plus Salz und Pfeffer.
    »Vielen Dank.«
    Mrs. Downing sah die beiden Girls an. »Wir werden Sie jetzt allein lassen. Wir hoffen, daß Sie rasch wieder gesund werden. Die Mädchen haben Sie doch hoffentlich nicht zu sehr belästigt?«
    »Oh nein!« Ich grinste in meine Fleischbrühe. Das gefiel ihr. »Also los, Girls.«
Mrs. Downing ging raus und ließ die Tür offen. Hilda brachte
    noch ein letztes Erröten zustande, schenkte mir einen winzigen Hauch von Lächeln und ging dann ebenfalls hinaus. Gertrude blieb da. Sie sah zu, wie ich mir die Fleischbrühe reinlöffelte. »Schmeckt’s Ihnen?«
»Ich möchte euch allen wirklich danken. Das hier … ist für
    mich ganz ungewohnt.«
»Also ich geh jetzt.« Sie drehte sich um und ging sehr langsam
zur Tür. Ihr Hintern wippte unter ihrem engen schwarzen Rock;
    ihre Beine hatten einen goldenen Schimmer. An der Tür blieb sie stehen und drehte sich um, ließ noch einmal ihre dunklen Augen auf mir ruhen. Ich saß da wie hypnotisiert, ich glühte innerlich. Als sie sah, daß ich Wirkung zeigte, warf sie den Kopf zurück und lachte. Sie hatte einen reizenden Hals. Und all das dunkle Haar. Sie drehte sich um und ging den Flur runter. Die Tür ließ sie offen.
    Ich nahm Salz und Pfeffer zur Hand, würzte die Fleischbrühe, bröckelte die Cräcker hinein und löffelte das ganze in meinen kranken Magen.

24
    Ich fand einen Job als Packer in einem Versandhaus für Damenbekleidung. Trotz des Arbeitskräftemangels, der während des 2. Weltkriegs angeblich herrschen sollte, gab es für jeden Job vier oder fünf Bewerber. (Zumindest wenn es sich dabei um niedrige Arbeiten handelte.) Wir warteten mit unseren ausgefüllten Fragebögen. Wann geboren? Unverheiratet? Verheiratet? Gemustert? Welcher Tauglichkeitsgrad? Letzte Beschäftigung? Letzte Beschäftigungen? Weshalb gekündigt? Ich hatte inzwischen schon so viele Bewerbungsformulare ausgefüllt, daß ich die richtigen Antworten auswendig wußte. An diesem Morgen war ich ziemlich spät aufgestanden, deshalb war ich der letzte, der aufgerufen wurde. Ein kahlköpfiger Mann mit einem merkwürdigen Haarbüschel über jedem Ohr führte das Einstellungsgespräch mit mir.
    »Ja?« sagte er und sah mich über das Formular hinweg an. »Ich bin ein Schriftsteller, den vorübergehend die Inspiration verlassen hat.«
    »Ach. Schriftsteller, was?«
»Ja.«
»Sind Sie sich da sicher?«
»Nein.«
»Was schreiben Sie denn so?«
»Short Stories zum größten Teil. Und einen Roman habe ich
    gerade halb fertig.«
»Einen Roman, hm?«
»Ja.«
»Wie ist denn der Titel?«
»›Der tropfende Wasserhahn meines Untergangs‹.« »Oh, das gefällt mir. Um was gehts denn da?«
»Um alles.«
»Alles? Sie meinen, zum Beispiel um Krebs?«
»Ja.«
»Und was ist mit meiner Frau?«
»Die kommt auch drin vor.«
»Was Sie nicht sagen. Weshalb wollen Sie dann bei uns Damenkleider verpacken?«
    »Weil ich schon seit jeher eine Schwäche für gutangezogene Damen habe.«
    »Sind Sie 4-F?«
»Ja.«
»Lassen Sie mal Ihren Wehrpaß sehen.«
Ich ließ ihn meinen Wehrpaß sehen. Er gab ihn zurück. »Sie sind eingestellt.«

25
    Wir waren unten in einem Kellerraum. Die Wände waren gelb gestrichen. Wir packten unsere Damenkleider in längliche Pappkartons, etwa 90 cm lang und 30 bis 45 cm breit. Es erforderte einiges Geschick, jedes Kleid so zusammenzulegen, daß es im Karton nicht knitterte. Wir benutzten deshalb Pappdeckel und Zellwolle und erhielten genaue diesbezügliche Anleitungen. Bestellungen nach außerhalb wurden mit der Post der Vereinigten Staaten verschickt. Jeder von uns hatte seine eigene Waage und seine eigene Frankiermaschine. Rauchen war verboten.
    Larabee war der Oberpacker. Klein war stellvertretender Oberpacker. Larabee war der Boß. Klein versuchte Larabee aus seiner Führungsposition zu verdrängen. Klein war Jude, und die Besitzer des Geschäfts waren Juden, und Larabee war nervös. Klein und Larabee stritten sich den ganzen Tag und bis in den Abend hinein. Ganz richtig: Abend. Das Problem damals während des Kriegs war, daß man Überstunden machen mußte. Die Geschäftsleitung zog es immer vor, ein paar Männer ständig Überstunden machen zu lassen, statt zusätzliche Leute einzustellen und dadurch mit einer normalen Arbeitszeit für alle auszukommen. Man gab dem Boß acht Stunden, und dauernd wollte er mehr. Es kam zum Beispiel

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