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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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nie vor, daß er einen schon nach sechs Stunden nach Hause gehen ließ. Denn da hätte man ja Zeit zum Nachdenken gehabt.

26
    Jedesmal, wenn ich in meiner Pension auf den Flur hinausging, schien Gertrude dazustehen. Ihr Sex war vollkommen und rein und brachte einen um den Verstand, und sie wußte es, sie zog sämtliche Register, bot ihn tröpfchenweise an und ließ einen danach hecheln. Das machte sie glücklich. Ich fühlte mich auch nicht gerade schlecht dabei. Sie hätte mir ja mit Leichtigkeit die kalte Schulter zeigen und nicht einmal gestatten können, mich an einem flüchtigen Hauch davon zu erwärmen. Wie den meisten Männern in so einer Lage war mir klar, daß ich nichts von ihr bekommen würde – lauschige Unterhaltungen, aufregende Rollschuhfahrten, lange Spaziergänge an Sonntagnachmittagen –, ehe ich nicht gewisse Versprechungen machte.
    »Sie sind ein merkwürdiger Mensch. Sie bleiben viel allein, nicht?«
»Ja.«
»Was haben Sie denn?«
»Ich fühle mich schon lange elend, nicht erst seit dem Morgen, als Sie mich kennengelernt haben.«
»Fühlen Sie sich jetzt auch elend?«
»Nein.«
»Was ist denn dann Ihr Problem?«
»Ich mag keine Menschen.«
»Finden Sie, daß das richtig ist?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Werden Sie mal abends mit mir ins Kino gehen?«
»Ich werd’s versuchen.«
Gertrude schlingerte vor mir herum; sie schlingerte auf ihren hohen Absätzen. Sie bewegte sich näher an mich heran. Da und dort berührte mich ein Stück von ihr. Ich konnte die Annäherung einfach nicht erwidern. Ein leerer Raum war zwischen uns. Die Entfernung war zu groß. Ich hatte das Gefühl, daß sie mit einem Menschen redete, der sich aufgelöst hatte, der gar nicht mehr da war, nicht mehr lebte. Ihre Augen schienen direkt durch mich hindurch zu sehen. Ich konnte keinen Kontakt zu ihr herstellen. Das löste bei mir zwar keine Schuldgefühle aus, aber es war mir doch recht peinlich, und ich fühlte mich hilflos.
»Kommen Sie mit.«
»Was?«
»Ich möchte Ihnen mein Schlafzimmer zeigen.«
Ich folgte Gertrude den Flur hinunter. Sie machte die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf, und ich ging hinter ihr rein. Das Zimmer hatte eine sehr weibliche Note. Das große Bett war voll von Stofftieren. Die Tiere wirkten erstaunt und starrten mich an: Giraffen, Bären, Löwen, Hunde. Parfüm lag in der Luft. Alles war ordentlich und blitzsauber und sah weich und behaglich aus. Gertrude kam näher an mich ran.
»Gefällt Ihnen mein Schlafzimmer?«
»Ist hübsch. Oh ja, es gefällt mir.«
»Sagen Sie Mrs. Downing bloß nichts davon, daß ich Sie hier hereingebeten habe, sonst macht sie einen Skandal.«
»Ich werd’ ihr nichts verraten.«
Gertrude stand da, schweigend.
»Ich muß gehn«, sagte ich schließlich. Ich ging zur Tür, machte sie auf, hinter mir zu, und ging zurück in mein Zimmer.

27
    Nachdem ich mehrere Schreibmaschinen an Pfandhäuser verloren hatte, gewöhnte ich mir die Vorstellung, jemals eine zu besitzen, kurzerhand ab. Ich schrieb meine Stories von Hand, in Druckschrift, und schickte sie so los. Ich benutzte einen Füllfederhalter. Allmählich gingen mir die Druckbuchstaben sehr schnell von der Hand. Bald konnte ich in Druckschrift schneller schreiben als in normaler Schrift. Ich schrieb drei oder vier Short Stories die Woche. Ständig waren irgendwelche Sachen mit der Post unterwegs. Ich konnte mir denken, wie die Herausgeber von ›Atlantic Monthly‹ und ›Harper’s‹ reagierten: »Hey, da ist schon wieder so ein Ding von diesem Spinner …«
    Eines Abends führte ich Gertrude in eine Bar aus. Wir setzten uns an einen Seitentisch und tranken Bier. Draußen schneite es. Ich fühlte mich ein bißchen besser als gewöhnlich. Wir tranken und unterhielten uns. Es verging etwa eine Stunde. Ich begann Gertrude in die Augen zu blicken, und sie blickte zurück. » Ein guter Mann ist heutzutage schwer zu finden « , sagte die Musikbox. Gertrude bewegte ihren Körper im Rhythmus der Musik, bewegte ihren Kopf zur Musik und sah mir in die Augen.
    »Sie haben ein sehr eigenartiges Gesicht«, sagte sie. »So richtig häßlich sind Sie eigentlich gar nicht.«
»Packer Nummer Vier, der sich langsam hocharbeitet.«
»Waren Sie schon mal verliebt?«
»Liebe ist was für normale Menschen.«
»Sie hören sich aber ganz normal an.«
»Ich hab was gegen normale Menschen.«
»Sie mögen sie nicht?«
»Ich hasse sie.«
Wir tranken noch einiges, ohne viel zu sagen. Es schneite immer noch. Gertrude drehte sich um und besah sich

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