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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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machte einen sehr hohen Schritt darüber.
    Dann die Treppe. Halb rannte ich, halb fiel ich sie hinunter. Auf der anderen Straßenseite war eine Bar.

21
    Die Arbeit in der Hundekuchenfabrik begann um 16.30 Uhr und dauerte bis 1 Uhr nachts.
    Man gab mir eine dreckige weiße Schürze und dicke Handschuhe aus Zeltstoff. Die Handschuhe waren angesengt und hatten Löcher. Meine Finger kamen stellenweise durch. Ein zahnloser Gnom erklärte mir, was ich zu tun hatte. Ein trüber Film ging über sein linkes Auge herunter; der Film war grünlich-weiß mit einem blauen Spinnwebenmuster.
    Der Zahnlose machte die Arbeit schon seit neunzehn Jahren. Ich ging an meinen Platz. Eine Sirene ertönte, und das Räder
    werk trat schlagartig in Aktion. Hundekuchen glitten über Förderbänder. Die Teigstücke wurden in die richtige Form gepreßt und kamen dann auf schwere metallene Roste mit massiven Kanten.
Ich packte einen Rost und schob ihn hinter mir in den Ofen.
    Ich drehte mich um. Da war schon der nächste Rost. Es gab keine Möglichkeit, die Dinger langsamer anzugehen. Sie blieben nur stehen, wenn im Räderwerk irgend etwas klemmte. Das kam nicht oft vor. Und wenn es vorkam, brachte es der Gnom im Handumdrehen wieder in Ordnung.
    Die Flammen im Ofen schlugen viereinhalb Meter hoch. Das Innere des Ofens war wie ein Riesenrad. Auf jeder Ebene hatten zwölf Roste Platz. Wenn der Mann am Ofen (= ich) eine Ebene vollgestellt hatte, betätigte er einen Hebel, das Riesenrad drehte sich ein Stück weiter, bis die nächste leere Ebene einrastete.
    Die Roste waren schwer. Schon das Hochheben eines einzigen Rostes konnte einen Mann ermüden. Man durfte gar nicht daran denken, daß man es acht Stunden lang machen mußte, Hunderte von Rosten, sonst hielt man nicht durch. Grüne Hundekuchen, rote Hundekuchen, gelbe Hundekuchen, braune Hundekuchen, violette Hundekuchen, blaue Hundekuchen, mit Vitaminen angereicherte Hundekuchen, Hundekuchen für Vegetarier.
    Solche Jobs produzieren müde Männer. Eine Erschlaffung bemächtigt sich der Männer, die weit über bloße Ermüdung hinausgeht. Die Männer geben verrückte, brillante Äußerungen von sich.
    Alles drehte sich in meinem Kopf; ich fluchte und redete und riß Witze und sang. (In der Hölle krümmen sie sich vor Lachen.) Ich brachte sogar den Gnom zum Lachen.
    Ich hielt mehrere Wochen durch. Jeden Nachmittag kam ich besoffen an. Aber das störte keinen; ich hatte den Job, den niemand wollte. Nach einer Stunde am Ofen war ich stocknüchtern. Ich kriegte fürchterliche Brandblasen an den Händen. Jeden Tag saß ich stöhnend in meinem Zimmer und stach mir die Blasen mit Sicherheitsnadeln auf, die ich zuvor in Streichholzflammen sterilisiert hatte.
An einem Nachmittag war ich besoffener als sonst. Ich weigerte mich, die Stechuhr zu füttern. »Mir reichts«, sagte ich zu ihnen.
    Der Gnom stand da wie vom Schlag gerührt. »Wie sollen wir’s denn ohne dich schaffen, Chinaski?«
»Ah.«
» Bleib doch wenigstens noch einen Abend! «
Ich griff mir seinen Schädel, nahm ihn in den Schwitzkasten, quetschte ihn. Seine Ohren wurden rosarot. »Du kleiner Drecksack«, sagte ich. Dann ließ ich ihn los.

22
    Nach meiner Ankunft in Philadelphia suchte ich mir eine Absteige und bezahlte die Miete für eine Woche im voraus. Die nächste Bar war fünfzig Jahre alt. Der Urin-, Scheiße- und Kottergestank eines halben Jahrhunderts kam aus den Toiletten im Keller hoch und drang durch die Dielen in die Bar.
    Es war Nachmittag, 16.30 Uhr. Zwei Männer prügelten sich mitten in der Bar.
    Der Kerl rechts von mir sagte, er heiße Danny. Der links von mir sagte, er heiße Jim.
Danny hatte eine fast zu Ende gerauchte Zigarette im Mund. Eine leere Bierflasche kam durch die Luft geflogen und verfehlte Danny’s Zigarette und Nase nur um Haaresbreite. Er drehte sich nicht um; er tippte ganz ungerührt die Asche von seiner Zigarette in einen Aschenbecher. »Das war ziemlich knapp, du Affenarsch! Wenn du das nochmal machst, gibts hier ne Schlägerei!«
Die Bar war voll besetzt. Es waren Frauen drin, ein paar fette und leicht stupid wirkende Hausfrauen sowie zwei oder drei Ladies, die auf der Schattenseite des Lebens gelandet waren. Während ich so dasaß, stand ein Girl auf und ging mit einem Mann weg. Nach fünf Minuten war sie wieder zurück. »Helen! Helen! Wie machst du das bloß?«
Sie lachte.
Ein anderer sprang auf, um sie mal auszuprobieren.
»Das muß ne gute Nummer sein. Muß ich mir unbedingt genehmigen!«
Sie

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