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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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das Publikum. Dann sah sie mich an.
»Ist er nicht ein hübscher Junge?«
»Wer?«
»Der Soldat da drüben. Er sitzt ganz allein. Er sitzt so aufrecht. Und er trägt seine ganzen Auszeichnungen.«
»Kommen Sie, verschwinden wir hier.«
»Aber es ist doch noch gar nicht spät.«
»Sie können ja noch bleiben.«
»Nein, ich möchte mit Ihnen gehn.«
»Von mir aus können Sie machen, was Sie wollen.«
»Ist es der Soldat? Sind Sie mir böse wegen des Soldaten?«
»Ach Scheiße!«
»Es war der Soldat!«
»Ich gehe.«
Ich stand auf, ließ ein Trinkgeld auf dem Tisch zurück und ging in Richtung Ausgang. Ich hörte Gertrude hinter mir. Ich ging im Schneegestöber die Straße lang. Bald lief sie neben mir her.
»Sie haben nicht einmal ein Taxi bestellt. Ich hab hohe Schuhe an, und das in diesem Schnee!«
Ich gab keine Antwort. Wir gingen die vier oder fünf Häuserblocks zurück zur Pension. Ich stieg die Treppe hinauf, sie neben mir. Dann ging ich den Flur hinunter, machte die Tür zu meinem Zimmer auf, hinter mir zu, zog meine Kleider aus und legte mich schlafen. Ich hörte, wie sie in ihrem Zimmer etwas gegen die Wand schmiß.

28
    Ich schrieb weiterhin meine Short Stories in Druckbuchstaben. Die meisten schickte ich an Clay Gladmore, dessen New Yorker Zeitschrift ›Frontfire‹ ich sehr schätzte. Sie zahlten nur $25 pro Story, aber Gladmore hatte William Saroyan und viele andere entdeckt, und mit Sherwood Anderson war er eng befreundet gewesen. Gladmore schickte viele meiner Sachen mit eigenhändig verfaßten Ablehnungsschreiben zurück. Sicher, sie waren meistens nicht sehr lang, aber sie schienen gut gemeint zu sein, und sie waren ermutigend. Die größeren Zeitschriften benutzten vorgedruckte Ablehnungen. Das tat Gladmore gelegentlich auch, aber bei ihm schien selbst da noch ein bißchen Wärme durchzuschimmern: »Wir bedauern außerordentlich, Ihnen diesmal einen ablehnenden Bescheid geben zu müssen, aber …«
    So hielt ich also Gladmore mit vier bis fünf Stories pro Woche auf Trab. Mittlerweile verpackte ich da unten im Keller weiter meine Damenkleider. Klein hatte Larabee immer noch nicht abgesägt. Cox, dem anderen Packer, war es egal, wer abgesägt wurde, solange er nur alle fünfundzwanzig Minuten auf der Kellertreppe einen Glimmstengel durchziehen konnte.
    Überstunden wurden zur Gewohnheit. Ich griff in meiner arbeitsfreien Zeit immer stärker zur Flasche. Mit dem Achtstundentag war es für alle Zeiten vorbei. Wenn man morgens reinkam, stellte man sich am besten gleich auf mindestens elf Stunden ein. Das galt auch für Samstage. Da wurde früher mal halbtags gearbeitet, aber inzwischen hatten sie sich längst zu ganzen Arbeitstagen entwickelt. Es war Krieg, aber die Ladies kauften trotzdem Kleider wie besessen …
    Es war nach einem Zwölfstundentag. Ich hatte meinen Mantel angezogen, war aus dem Keller hochgekommen, hatte mir eine Zigarette angesteckt und ging gerade in Richtung Ausgang, als mein Boß nach mir rief: »Chinaski!«
    »Ja?«
»Kommen Sie doch mal rein.«
Mein Boß rauchte eine lange teure Zigarre. Er wirkte gut
    ausgeruht.
»Das hier ist mein Freund Carson Gentry.«
Carson Gentry rauchte ebenfalls eine lange teure Zigarre. »Mr. Gentry ist Schriftsteller wie Sie. Er interessiert sich sehr
    für Literatur. Ich habe ihm erzählt, daß Sie Schriftsteller sind, und da wollte er sie gerne mal kennenlernen. Sie haben doch nichts dagegen, oder?«
    »Nein, nichts dagegen.«
Sie saßen beide da und sahen mich an und pafften ihre Zigarren. Mehrere Minuten vergingen. Sie inhalierten, bliesen den
    Rauch vor sich hin, sahen mich an.
»Würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich jetzt gehe?« »Nein, schon gut«, sagte mein Boß.

29
    Die sechs oder sieben Blocks bis zu meiner Pension ging ich immer zu Fuß. Die Bäume entlang der Straße sahen alle gleich aus: klein, verkrüppelt, halb erfroren, ohne Blätter. Ich mochte sie. Ich ging meinen Weg unter dem kalten Mond.
    Die Szene da im Büro ließ mir keine Ruhe. Diese Zigarren. Diese eleganten Anzüge. Ich dachte an gute Steaks, lange gewundene Auffahrten, die vor wunderschönen Eigenheimen endeten. Bequemes Leben. Reisen nach Europa. Schöne Frauen. Waren die so viel cleverer als ich? Das einzige, was sie mir voraushatten, war Geld; und das Verlangen, es wachsen zu sehen.
    Das würde ich auch tun! Ich würde meine Pennies sparen. Dann, je nach Lust und Laune, würde ich einen Kredit springen lassen. Ich würde Leute einstellen und wieder feuern. Ich

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