Falaysia Bd 2 - Trachonien
Eindrücken, die von außen auf sie einströmen konnten. Ihre äußeren Sinne schalteten sich einer nach dem anderen ab, während sich in ihrem Inneren eine enorme Energie ansammelte. Und während sie Marek ansah, während sich ihr Blick in diesem leuchtenden, plötzlich so sanften Aquamarin seiner Augen verlor, öffnete sich ein Zugang zu seinem Inneren. Sie konnte seine körperliche und geistige Nähe auf einmal mit einer solchen Intensität spüren, dass sie fast davor zurückschreckte, obwohl sie zur gleichen Zeit von dem starken Bedürfnis befallen wurde, eins mit ihm zu werden, mit ihm zu verschmelzen, zu fühlen, was er fühlte und dachte. Wie damals im See wurde sie wie ein Magnet von ihm angezogen. Sie fühlte seinen Atem auf ihrem Gesicht und dann auf ihren Lippen, als er den Kopf neigte und seine Stirn die ihre berührte.
Der Energiefluss wurde stärker. Jetzt war es nicht mehr nur sie, die nach seiner geistigen Nähe tastete. Sie konnte fühlen, wie auch Marek mental nach ihr griff und die Sehnsucht, die ihn dabei leitete, raubte Jenna den Atem. Sie begann zu zittern und ihr Herz schlug hart in ihrer Brust. Aber sie hatte keine Angst. Nein, sie genoss es. Sie fühlte sich wie berauscht von dem Sog ihrer beider Energien und überall waren so viele Gefühle; Gefühle in einer Intensität, die kaum zu ertragen war, die sie aber dennoch nicht erschreckte. Da war keine Mauer mehr, die Mareks Emotionen vor ihr verbergen konnte, keine Abwehr, keine Verschlossenheit. Seine ganze so angestrengt verdrängte Menschlichkeit lag plötzlich vor ihr brach, all die Trauer und Wut, die er seit Jahren mit sich herumtragen musste, sein Hass, seine Verzweiflung, seine Gier nach Macht und Kontrolle, seine Ruhelosigkeit und sein unterdrücktes Verlangen nach Wärme und Geborgenheit, das doch jedem Menschen zu eigen war. Und sie fühlte seine schier unermessliche Kraft, seine eindrucksvolle Stärke, die ihn immer wieder auf die Beine brachte, mit der er all das ertragen konnte, was jeden anderen Menschen längst umgeworfen hätte; eine Kraft, die über die eines normalen Menschen hinausging.
Verborgen ganz tief in seinem Inneren lag der Ursprung dieser Kraft, zu der sie sich so schrecklich hingezogen fühlte, und sie versuchte weiter vorzudringen, diesen Mann so vollkommen zu durchdringen, dass ihr kein Geheimnis mehr verborgen blieb und die Furcht vor ihm für immer verschwand. Sie fühlte, dass sie zu weit ging, sie war jedoch nicht mehr dazu in der Lage, sich zurückzuhalten. Eine unkontrollierbare Gier hatte sie erfasst, getragen von einer solch starken Energie, dass Marek plötzlich zu zittern begann. Sein Geist begann sich zu winden, zog sich vor ihr zurück, suchte nach einem Fluchtweg, versuchte wieder eine Barriere zwischen sie und sich zu bringen, aber es war zwecklos. Sie war nicht mehr aufzuhalten, drang immer weiter in ihn vor, um das zu ergründen, was er so verzweifelt vor ihr zu verbergen suchte.
Doch plötzlich schoss etwas wie ein gleißend heller Blitz in ihr Inneres vor, begleitet von einem stummen Schrei, der sie bis ins Mark erschütterte und der Bann war gebrochen. Marek riss sich von ihr los und taumelte nach Luft schnappend ein paar Schritte zurück.
„Du… du…“ Er brach ab, schüttelte fassungslos den Kopf. Seine Augen spiegelten ein Wirrwarr an Gefühlen wider: Entsetzen, Angst, Verwirrung, Faszination. Und ganz langsam zeigten sich auch erste Züge von Wut und Enttäuschung auf seinem Gesicht. Allerdings schien er noch zu aufgelöst zu sein, um sich richtig artikulieren zu können.
„Wie… was war das?“ versuchte er es erneut.
„I-ich... weiß nicht“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Sie war genauso durcheinander wie er. So etwas hatte der Stein noch nie getan und sie wusste noch nicht einmal, wodurch das alles ausgelöst worden war.
„Soll das heißen, du hattest keinen Einfluss darauf?“ hakte er ziemlich skeptisch nach.
Sie nickte schnell, wenngleich sie genau wusste, dass sie dieses Mal aktiver gewesen war als je zuvor. Anscheinend war auch Marek dieser Ansicht, denn die Verärgerung in seinen Augen wurde jetzt sehr viel deutlicher. Er riss sich jedoch zusammen und gab sich damit zufrieden, sie nur weiterhin mit wachsendem Unbehagen zu mustern. Jenna fühlte sich nicht wohl unter diesem Blick. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und die Art und Weise, wie er sie ansah, bestärkte sie nur in dem Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Ganz davon abgesehen, wusste sie nicht,
Weitere Kostenlose Bücher