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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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hatte sie einen Liebeszauber durchgeführt. Anstatt einen Menschen damit an sich zu binden, hatte sie sich selbst zum Objekt des Zaubers gemacht und sich für die Ewigkeit an jemanden gebunden. Vielleicht hatte sie es getan, um etwas in sich zu tragen, das stärker war als der Tod. Vielleicht hatte sie nur der Schmerz gereizt, den sie damit ihr Leben lang in ihrem Herzen tragen würde. Der Mann, an den sie ihr Schicksal knüpfte, war Artur Leik, der damals erst wenige Tage auf Falkengrund gelebt hatte.
    Erst kürzlich hatte sie sich Melanie und Madoka gegenüber geoutet – von Melanie erfuhr es Artur, und dieser erzählte es Margarete. In einem Streitgespräch.
    „Artur interessiert sich für Melanie und Madoka. Weißt du, wie er es ausdrückte? Er sagte ‚Zwei Frauen sind schon eine ganze Menge für ein einziges Männerherz, und mehr passen nicht mehr hinein’. Es klang ziemlich endgültig, wenn du mich fragst.“
    Isabels Körper versteifte sich. „Das alles interessiert mich nicht.“
    Margarete lachte spöttisch. „Erzähl mir keine Märchen.“
    „Wenn du denkst, ich führe mit dir ein Gespräch wie in einem kitschigen Liebesfilm, dann täuschst du dich“, knirschte die Schwarzgekleidete. „Wenn ich gewollt hätte, dass Artur meine Gefühle erwidert, hätte ich sie ihm gestanden. Das ist zu groß für dich. Du wirst es nicht verstehen. Ich wusste nicht, dass die ganze Schule darüber spricht.“
    „Jeder sucht nach Glück, so viel verstehe ich. Sogar du tust das, Isabel. Gerade du!“
    Die Studentin setzte zu einer Erwiderung an. An ihrem Hals, wo das weiße Make-up dünner wurde, zeigten sich rote Flecken der Erregung.
    In diesem Moment kamen Jaqueline und Dorothea die Treppe herauf.
    „Da bist du ja“, rief Jaqueline.
    „Ja?“, fragte Margarete erwartungsvoll, hob das Gesicht der Stimme entgegen.
    „Entschuldigung, ich meinte Isabel.“ Jaqueline konnte nur zusehen, wie die Dozentin enttäuscht in sich zusammensackte. Es war, als verwelke eine Blume.
    „Was wollt ihr von mir?“ Isabel gab sich ungehalten – sie waren unterbrochen worden, ehe sie sich ausgesprochen hatten.
    „Wir wollten dich um Hilfe bitten.“
    „Hilfe?“
    „Ich nehme an, du magst Katzen“, sagte Jaqueline.
    Isabel hob die Schultern.

    JAQUELINE HAT WIEDER EINMAL EINEN PLAN. UNS, DEN LESERN, VERRÄT SIE NICHTS DAVON. WELCHE EIGENSCHAFT VON ISABEL IST ES, DIE SIE DAZU PRÄDESTINIEREN SOLLTE, MIT DIESER RÄTSELHAFTEN KATZE IN KONTAKT ZU TRETEN? HAT ES ETWAS MIT IHRER SEELISCHEN NEIGUNG ZU TUN, ODER ETWA MIT IHRER UNGEWÖHNLICHEN KLEIDUNG?
    MACHT SIE DIE TATSACHE, DASS SIE IHR ZIMMER SEIT LANGEM MIT EINEM SELTSAMEN GESCHÖPF NAMENS MADOKA ANDÔ TEILT, WOMÖGLICH SCHON ZU ETWAS BESONDEREM? KANN, WER MIT MADOKA ZURECHTKOMMT, MIT JEDEM ANDEREN WESEN AUF DIESEM PLANETEN FREUNDSCHAFT SCHLIESSEN?
    NATÜRLICH DURCHSCHAUEN SIE MICH BEREITS. BEI DEN THEORIEN, DIE ICH UNGEFRAGT VOR IHNEN AUSBREITE, HANDELT ES SICH DURCH DIE BANK UM FALSCHE FÄHRTEN – RED HERRINGS, ROTE HERINGE, WIE MAN IM KRIMI-JARGON ZU SAGEN PFLEGT. DIE FRAGE BLEIBT OFFEN: WAS HAT ISABEL HOLZAPFEL, WAS ANDERE NICHT HABEN?
    UND … REICHT ES AUS, ALS SCHLÜSSEL ZU DEM GEHEIMEN AUFBEWAHRUNGSORT VON ROSA BIRKS ERSPARNISSEN?

6
    Zwei Wesen sahen sich an.
    Und weitere zwei Wesen betrachteten die beiden dabei.
    Die rothaarige Katze schnüffelte nicht. Sie kam nicht heran, ging nicht weg. Sie tat überhaupt nichts von alldem, was die Vertreterinnen ihrer Art gewöhnlich zu tun pflegten. Sie saß lediglich auf ihrem flauschigen Hintern wie ein dekoratives, aber ziemlich nutzloses Stück Kunst. Sie war nicht hergekommen, sondern hatte bereits im Flur gewartet, als die drei Studentinnen die Wohnung in Hausach betraten.
    Als hätte sie mit ihrem Kommen gerechnet.
    Der Flur war es auch, wo Isabel sich auf den Fußboden kniete, um das Tier zu begrüßen. Sie hatte in ihrem Leben nur wenige Erfahrungen mit Katzen gemacht – die alternden Hippies, die ihre Eltern waren, hatten nie ein Haustier gehalten, weil ihnen das „spießig“ erschien. Vermutlich waren Hunde und Katzen in ihren Augen nicht mehr und nicht weniger als grausam in Gefangenschaft gesetzte Wölfe und Tiger.
    Isabel hätte nicht in Worte fassen können, was sie empfand, als sie dem orangefarbenen Geschöpf mit den tiefblauen Augen gegenübersaß. Das Gefühl, von der Katze argwöhnisch gemustert zu werden, hatte sie nur wenige Sekunden lang, dann erkannte sie, dass es falsch war. Gemustert wurde sie von

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