0097 - Der unheimliche Richter
Er kroch ein Stück, drehte den Kopf und blickte seine Henker aus hervorquellenden Augen an. »Ihr werdet die ersten sein, die ich töte!« versprach er mit rauher Stimme.
Der Anführer seiner Bewacher lachte rauh und trat ihm in die Seite. »Du wirst gar nichts mehr, Maddox. Nur noch eins machen wir mit dir. Wir werden dich hängen.«
Maddox spie aus. »Die Hölle wird euch verschlingen!« versprach er. »Im Ewigen Feuer sollt ihr verbrennen!«
»Stopf ihm das Maul«, sagte einer der Hinzugekommenen.
»Wozu?« Der Anführer lachte spöttisch. »Er hat doch nur Angst. Und da sagt man viel.«
Die vier Bewacher blickten aus kalten Augen auf den am Boden liegenden Mann.
Sir James Maddox, Richter Seiner Majestät des Königs, hatte verspielt. Über zwanzig Jahre hatte es gedauert, bis man ihm auf die Schliche gekommen war. Maddox hatte fast jeden Angeklagten mit dem Tod bestraft, und er hatte sich jede Hinrichtung angeschaut. Doch damit nicht genug. Er übte sein Amt noch aus, wenn er nicht im Dienst war. Nachts ging er auf Jagd, holte sich die Menschen, die seiner Überzeugung nach Verbrecher waren, und richtete sie hin.
Der unheimliche Richter war zu einer großen Gefahr für Land und Leute geworden.
Bis ihm ein Polizeiinspektor auf die Schliche kam. Sir James Maddox wurde festgenommen und verurteilt.
Tod durch den Strang!
So sprach ein Kollege von ihm.
Drei Tage nach dem Urteilsspruch sollte Maddox gehängt werden. So ganz waren seine Taten noch nicht aufgeklärt worden. Es gab noch einige Unklarheiten, doch die störten die Verantwortlichen nicht. Hauptsache, Maddox wütete nicht mehr.
Obwohl Maddox in einer sicheren Zelle gesessen hatte, fürchteten sich seine Bewacher vor ihm. Sein Blick war grausam, und die Verwünschungen, die er ausstieß, klangen dem Gefängnispersonal wie Höllengewitter in den Ohren. Es gab nur wenige, die sich in seine Zelle trauten und denen die Schwüre von Rache und Vergeltung nichts ausmachten.
»Der steht mit dem Teufel im Bunde«, sagte einer der vier Bewacher mit ernster Stimme, und die drei anderen nickten eifrig. Sie zogen Maddox hoch. Alle vier hatten mit Widerstand gerechnet, doch der Richter ließ sich kurzerhand abführen.
Zwanzig Yards war der Gang lang.
Zwanzig Schritte bis zum Tod!
Sir James Maddox ging sie.
Der Gang war breit genug, damit links und rechts neben Maddox je ein Bewacher herschreiten und ihn an den Armen festhalten konnten. Die anderen gingen voran.
Bevor sie die Eisentür am Gangende erreichten, wurde diese aufgezogen. Erbärmlich quietschte sie in den Angeln. Zwangsläufig fielen die Blicke der Männer auf den düsteren Gefängnishof, dessen hohe, kahle Steinmauern jetzt allerdings vom Mondlicht angeleuchtet wurden.
Man richtete nur bei Vollmond.
So wollte es die Tradition, und die verantwortlichen Männer sahen keinen Grund, damit zu brechen.
Die Schritte der Männer hallten von den kahlen Gangwänden wider. Maddox wurde mitgeschleift. Er brabbelte unverständliches Zeug vor sich hin, doch manchmal glaubten die Bewacher, auch das Wort Teufel herauszuhören.
Sie erreichten die Tür. Auf der Schwelle blieben sie für einen Moment stehen.
Mitten im Hof stand der Galgen!
Ein altes Holzgerüst, zu dessen Plattform eine breite Holztreppe hochführte. Neben der Treppe hielten sich zwei Männer auf. Rechts stand der Gefängnisdirektor und links der Priester. Er war ein alter Mann mit spiegelblanker Glatze, die allerdings jetzt nicht zu sehen war, da er die Kapuze seiner Kutte über den Kopf gezogen hatte.
Der Gefängnisdirektor trug einen Zylinder auf dem Kopf, einen schwarzen Rock und eine schwarze Hose. Sein hageres Gesicht zuckte. Die Hinrichtungen hatten ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Er war nur noch ein Nervenbündel. In zwei Jahren wurde er pensioniert, dann konnte er sich von seinem nervenaufreibenden Beruf erholen.
Maddox begann zu lachen.
Zuerst war es nur ein Kichern, dann wurde es lauter und steigerte sich zu einem dumpfen Dröhnen, das über den Gefängnishof schallte und die anderen Gefangenen aus ihrem Schlaf riß. Sie verließen die einfachen Holzpritschen, traten an die Fenster und klammerten ihre Hände um die Eisenstäbe.
Einige von ihnen waren von Sir James Maddox verurteilt worden. Jetzt bereitete es ihnen ein großes Vergnügen zu sehen, wie der Richter selbst zum Galgen geführt wurde.
Einer konnte sich nicht mehr halten. Er sollte zwei Tage später gehängt werden. Als mehrfacher Mörder war er hierzu verurteilt
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