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Falkengrund Nr. 33

Falkengrund Nr. 33

Titel: Falkengrund Nr. 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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übelnehmen.“
    Das konnte man wohl sagen! Der gesamte Saal schien in Bewegung zu geraten, als die schwarzen Schlangen in ihre Richtung zuckten, schneller und zielstrebiger als zuvor. Warum hatte er sie nicht eine Sekunde früher informieren können? Was sie getan hatte, ließ sich nicht mehr rückgängig machen – die Schlange war zu einem unförmigen Fleck geworden, als wäre ein schwarzer Paintball dort zerplatzt. Sanjay wich zurück und schielte nach dem Gang, aus dem sie gekommen waren, denn der Weg durch den ganzen Saal war um ein Vielfaches weiter als der Rückzug in den Korridor. Doch ihr Begleiter packte ihre Schulter und zerrte sie weiter. „Vorwärts!“, brüllte er. „In dem Gang bist zu ihnen ausgeliefert. Aber durch den Ausgang da vorne werden sie dir nicht folgen.“
    Bis sie den Ausgang erreicht hatte, würde sie tot sein. Was immer es auch bedeuten mochte, in dieser Welt zu sterben.
    „Los!“ Seine Stimme überschlug sich, war der Startschuss für sie. Wäre er nicht gewesen, sie hätte den kleinen Ausgang am Hallenende bestimmt aus den Augen verloren und sich hoffnungslos in dem schwarzen Gewimmel verloren. Er lief voraus, und er hatte es leicht. Die Schlangen attackierten ihn nicht, sie konzentrierten sich alle auf die Frau, die eine von ihnen zertreten hatte. Sanjay vollführte gewagte Sprünge, um auf keine weiteren Tiere zu treten, doch der Weg vor ihr füllte sich immer dichter mit ihnen, das helle Blau des Untergrunds war kaum noch zu erkennen. Stacheln zuckten nach ihrem Fuß, es war ihr, als spüre sie einen Einstich, aber vielleicht hatte der Stachel sie nur gestreift.
    Ich will nicht sterben , fieberte sie. Es ist verrückt. Ich bin tot, aber ich will nicht sterben.
    Obwohl sie sich alle Mühe gab, den Schlangen auszuweichen, trat sie auf mehrere von ihnen, und auf einer rutschte sie aus. Der Fußboden war so hart, wie er aussah. Eine merkwürdige, vibrierende Art von Schmerz durchlief ihren Körper, als sie sich beim Ausgleiten den Ellbogen anschlug, anders als die Schmerzen, die sie im Leben gekannt hatte, aber genauso ekelhaft. Sie glaubte schon die Welle der schwarzen Wesen über sich zusammenklatschen zu sehen, da hatte sie zwei Hände ergriffen, die sich ihr entgegenstreckten, und ließ sich im letzten Moment aus der mörderischen Flut ziehen. Das Knäuel aus Schlangen war einen Augenblick lang mit sich beschäftigt, und diesen Moment nutzten die beiden zur Flucht. Der Ausgang war keine zehn Meter mehr entfernt.
    Der Mann hatte behauptet, die Schlangen würden ihnen auf diesem Weg nicht folgen. Woher er dieses Wissen nahm, brauchte sie nicht zu interessieren. In diesen Sekunden wollte sie ihm einfach glauben. Vielleicht funktionierte es wie bei einem Konsolenspiel: Wenn sie dieses Level schaffte, würde sich das nächste anschließen. Bis sie dem großen Boss gegenüberstand.
    Kurz bevor sie den Ausgang erreichte, fiel ihr auf, dass ihr Begleiter langsamer wurde. Er krümmte sich wieder vor Schmerzen, wie er es zuvor getan hatte, stolperte, fing sich jedoch. Ihr Gewissen verlangte von ihr, dass sie sich um ihn kümmerte, umso mehr, als er sie eben gerettet hatte, doch ihr Überlebenstrieb war stärker. Sie drehte sich an ihm vorbei wie an einem Hindernis, hetzte auf die Türöffnung zu.
    Ins nächste Level.
    Oder auch nicht.
    Eine der Schlangen wurde aus dem Pulk herausgeschleudert wie von einer Armbrust abgeschossen. Zwei rautenförmige schwarze Augen glühten frei schwebend über ihrem Kopf, und noch im Flug formte sie sich zu einem schwarzen U, die beiden tödlichen Schwanzspitzen in Sanjays Richtung gedreht, das losgelöste Augenpaar hypnotisierend. Rein physikalisch wäre es möglich gewesen, sich unter der heranfliegenden Schlange wegzuducken, doch die hypnotische Kraft verlangsamte Sanjays Bewegungen. Sie sah die Attacke kommen, ohne ihr etwas entgegenzusetzen.
    „Ung!“ Sanjay spürte die Einstiche, exakt gleichzeitig. Einer der Stacheln fuhr in ihre rechte Schulter, der andere in ihre linke Brust. Das Toga-ähnliche Tuch war kein Schutz gegen die feinen Nadeln, Kanülen des Todes. Ein fremdes Gefühl breitete sich rund um die Einstichstellen aus, nein, zwei Gefühle, unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ein vibrierendes, oberflächliches Kribbeln der Haut hier, ein tiefes, dumpfes Ziehen dort, und beide Empfindungen vermischten sich.
    Sanjay, die erwartete, das Gift würde ihr Bewusstsein auslöschen, war überrascht. Die beiden Gefühle schienen sich gegenseitig

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