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Falkengrund Nr. 33

Falkengrund Nr. 33

Titel: Falkengrund Nr. 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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der Foltergeräte zu erahnen, die an einer Seite des quadratischen Raumes warteten. Auf sie warteten. Ein schweres eisernes G als Knebel, dessen Rundung vermutlich hinten um den Kopf gelegt wurde, während der nach innen weisende Strich, mit einem Gewinde versehen, weit in den Mund- und Rachenraum hineingedreht werden konnte. Ein J, spitz wie ein Fleischerhaken, dazu andere Instrumente, deren Sinn sie erahnte, aber nicht bis zum Ende durchdenken wollte.
    Wie sie bereits festgestellt hatte: Die Hölle, das war ein konsequent zu Ende gedachter Gedanke. Man brauchte die Buchstaben, die Milliarden von Menschen tagtäglich benutzten, nur körperlich statt geistig anwenden, schon war ein Sammelsurium aus Folterinstrumenten daraus geworden.
    Wie viel Zeit war vergangen, als der Mann zu ihr zurückkehrte? Eine Stunde? Sie wünschte sich, Lorenz von Adlerbrunn wäre bei ihr. Wie dumm und mimosenhaft war sie gewesen, seine Magie als Hölle zu empfinden, nur weil der Raum, den er ihr mit der Zauberkraft der Schrift erschuf, ein wenig irreal auf sie gewirkt hatte! Nun erlebte sie, wie sich eine Hölle wirklich anfühlte.
    Nach Schmerz und Ausgeliefertsein. Nach bodenloser Angst.
    Lange stand er stumm vor ihr, betrachtete sie. Natürlich leckten seine Blicke über ihren nackten Körper, aber viel länger, erstaunlich lange, blieben sie auf ihrem Gesicht hängen, studierten ihre Züge, versenkten sich in ihre Augen.
    Als er damit fertig war, nahm er eine Kerze von einer Ablage und führte sie vor sein eigenes Gesicht. Er hatte die Pilotenbrille längst abgenommen, und sie konnte nun erkennen, wer er war.
    Zuerst drang nur ein Gurgeln aus ihrer Kehle. Dann gab sie sich alle Mühe, seinen Namen auszusprechen.
    Der Mann, den man in dieser Welt den Bookstabber nannte, der über Leichen ging und im Begriff war, sie aufs Blut zu foltern, trug das Gesicht von …
    „Sir … Da-Darren.“
    Seine Stimme war eiskalt, als er sagte: „Nice to meet you … Sanjay.“

9
    „Sie … sind also … tot“, brachte sie hervor. „Margarete hat es … befürchtet. Werner wollte … es nicht glauben. Aber warum …“
    „Werner ist ein feiger Optimist“, versetzte er. „Aber du irrst. Darren Edgar ist nicht tot. Noch nicht. Und genau darin liegt das Problem. Du, liebe Sanjay, wirst ihn töten. Für mich.“
    Von diesem Gedankengang begriff sie weder Anfang, noch Mitte, noch Ende. „Töten?“ Wie sollte sie einen lebenden Menschen töten, wenn sie im Jenseits weilte? Und warum hing sie in seiner Folterkammer, wenn er nicht ihr, sondern sie ihm etwas antun sollte?
    „Es ist einfach, wenn man es erst einmal begriffen hat“, sagte er. „Du bist erst wenige Stunden tot. Du bist noch nicht komplett hier angekommen. Du hast noch nicht angefangen, dir deine eigene Realität zu schreiben. Du kannst wieder zurück, davon bin ich überzeugt. Aber die Voraussetzung dafür ist … ein starker Impuls, der dich von hier wegtreibt, der dich fliehen lässt, zurück in die Welt, aus der du kommst und deren Tor dir noch nicht vollkommen verschlossen ist.“
    „Ein … Impuls …“
    „Ja. Unerträgliche Qualen.“
    Sie riss die Augen auf. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich.
    „Pein, die so bitter ist, dass deine Seele gar nicht anders kann, als die Einbahnstraße rückwärts zu gehen.“
    Sie nahm sich zusammen, doch ihre Stimme zitterte so sehr, dass sie kaum zu verstehen war. „Woher … wollen Sie wissen ... dass so etwas funktioniert?“
    „Es ist eine Theorie von mir“, antwortete er ungerührt. „Theorien sind so lange wahr, bis sie sich als falsch erweisen. Ich glaube, es könnte Erfolg haben. Aber wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Du wirst ins Diesseits zurückkehren. Du wirst wieder leben, deine Freunde wiedersehen. Das ist mein großes Geschenk an dich. Als kleine Gegenleistung dafür wirst du Darren Edgar suchen und für mich töten. Sein Leben für deines. Das scheint mir ein mehr als fairer Preis zu sein.“
    „Warum? Warum soll ich das tun? Sie sind doch selbst … Sir Darren …“
    „Nicht ganz, Sanjay, nicht ganz. Ich bin nur ein Teil von ihm, und ich will wieder komplett sein. Aber Schluss damit! Wie ich eben sagte: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Das Tor schließt sich weiter, und wenn es eingerastet ist, werden nicht einmal die Schmerzen, die ich dir hier zufügen kann, es wieder öffnen. Beginnen wir …“

    ENDE DER EPISODE
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