Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 14 Frisches Blut für X
weit bis hinunter ins Tal. Wenn er erst weit genug von den Häusern entfernt war, würden sie die Verfolgung gewiss aufgeben, denn …
Während er sich auf den unebenen Untergrund konzentrierte und alles daran setzte, sich bei seinen waghalsigen Sprüngen nicht den Fuß zu verstauchen, fiel ihm auf, wie naiv diese Vorstellung war. Natürlich würden sie ihn nicht aufgeben. Auch wenn er nicht wirklich etwas über dieses Dorf wusste – was er gesehen und erlebt hatte, durfte er nicht weitererzählen. Ein verängstigtes Mädchen in Ketten, eine Kirche, in der ein X anstelle eines Kreuzes verehrt wurde … das war kein Material für idyllischen Dorfklatsch.
Sir Darren nahm sich vor, die kleine Umhängetasche, in der er einige Lebensmittel trug, nicht wegzuwerfen, doch schließlich tat er es doch. Er nahm sich auch vor, sich unter keinen Umständen nach hinten umzublicken, um nicht zu straucheln, und dann tat er es trotzdem.
Zwei junge Männer waren ihm dicht auf den Fersen. Keiner der beiden schien eine Waffe zu tragen, doch ihre Mienen waren verzerrt und voller Hass. Ihr halblanges Haar flatterte im Wind ihrer Geschwindigkeit, und unter ihren stabilen Schuhen wurden Grasbüschel ausgerissen und Erde nach hinten geschleudert. Ihre Hände griffen in die Luft, sie gaben alles und kamen näher und näher.
Dann sah er plötzlich, wie einer von ihnen seinen Lauf mit einem Keuchen abbremste. Der Kerl schlitterte über den Boden und bückte sich herab, berührte die Erde.
Es konnte nicht sein, dass er schon aufgab.
Der Fliehende sah wieder nach vorne, wich ungeschickt einem Gestrüpp aus. Einige der langen Zweige erwischten ihn dennoch. Dornen krallten sich in sein Jackett. Es ratschte. Er wurde herumgerissen, kam ins Stolpern, drehte sich einmal komplett um sich selbst und hetzte weiter.
Im nächsten Moment erhielt er einen Stoß in den Rücken.
Er brüllte vor Schmerz auf, riss die Arme in die Höhe und ging zu Boden, rutschte ein Stück über den rauen Untergrund. Genau zwischen seinen Schulterblättern hatte ihn ein faustgroßer Stein getroffen und die Luft aus seinen Lungen gepresst. Sir Darren wand sich am Boden. Er sperrte den Mund weit auf, denn er hatte für einige Sekunden Schwierigkeiten mit dem Atmen. Seine Hände waren blutig. Er hatte in harte, steinige Erde gegriffen, als er seinen jähen Sturz abfing. Ehe noch an Aufstehen zu denken war, hatte der erste der beiden Männer, der in einem kleinen Bogen weitergelaufen war, um dem anderen freie Schussbahn zu geben, den Gestürzten erreicht.
Hart riss er ihn hoch und drehte ihm die Arme auf den Rücken, dass die Gelenke knackten.
Der andere kam in großen Sprüngen an, und zu zweit zerrten die beiden Sir Darren mit sich, in Richtung Dorf. Weitere Menschen liefen ihnen entgegen und umringten den Gefangenen. Auf ihren Gesichtern breitete sich Freude aus. Sie wirkten erleichtert, als sie ihn zurück zu den Häusern eskortierten.
Sir Darren konnte vorerst nichts tun als sich in sein Schicksal zu ergeben. Es machte keinen Sinn, sich zur Wehr zu setzen. Dazu waren es zu viele.
„Was bezweckt ihr damit, hm? Was wollt ihr überhaupt?“, stöhnte er ungehalten, doch er bekam keine Antwort.
Vor den Häusern stand eine Gestalt, die ihn schon erwartete. Es war ein kleiner, schlanker Mann in einem braunen, talarartigen Gewand. Auf der Brust, wo Priester normalerweise ein Kreuz tragen, trug er einen runden Gegenstand an einer Kette. Als sie näher kamen, erkannte der Brite, worum es sich dabei handelte.
Es war eine Uhr.
Noch konnte er die Zeiger nicht erkennen, aber Sir Darren hätte wetten mögen, dass sie eine bestimmte Zeit zeigte. Elf Uhr und fünf Minuten. Den geheimnisvollen Zeitpunkt, dessen Bedeutung er ebenso wenig kannte wie die des hölzernen X, das den Altar der Kirche schmückte.
Sir Darren wurde dem Priester gegenübergestellt und musste einsehen, dass er sich geirrt hatte. Die Zeiger der Uhr wiesen auf 13.20 Uhr.
Die tatsächliche Zeit.
„Eine ungewöhnliche Uhr, die Sie da haben“, lautete Sir Darrens erste Bemerkung. Noch immer lagen der Schmerz und die Anstrengung in seiner Stimme. „Zeigt sie nicht die falsche Zeit?“
Der Priester war in mittlerem Alter und hatte eine große Nase, eine niedrige Stirn und kleine, tiefliegende Geieraugen. Er erwiderte nichts. Stattdessen griff er mit einer brutalen Bewegung nach der linken Hand des Gefangenen und zog ihm die Armbanduhr vom Handgelenk. Er sah sie eine Weile an, ließ sie dann auf den Boden
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