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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Stelle, an der sich offenbar einst ein Türklopfer befunden hatte, hob sich hell ab wie ein bizarres Symbol. Jetzt gab es nur noch eine angerostete Klinke. Die Wände hatten schon lange keinen neuen Anstrich mehr erhalten – jahrzehntelang nicht mehr.
    Schloss Falkengrund war ein vernachlässigtes Haus. Falls es einmal schön gewesen war, war davon jetzt kaum noch etwas zu spüren. Und es strahlte eine merkwürdige Trauer aus, war so grau, so ungeheuer farblos ...
    Artur war so von dem Anblick gefangen, dass er nicht bemerkt hatte, wie die Frau und der Taxifahrer ein Gespräch begonnen hatten.
    „... bin ich mir ganz sicher. Sie haben mich damals nach Freudenstadt gefahren. Wenn das kein Zufall ist!“
    „So viele Fahrer gibt es nicht in Wolfach“, erwiderte Hasan Baris.
    „Ich würde Sie gerne auf einen Tee aufs Schloss einladen“, sagte die Frau unvermittelt.
    Der Fahrer zögerte, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und dann – ganz kurz – in den Ausschnitt der Frau. „Ich muss leider wieder zurück. Meine … mein Chef ...“
    „Schon gut. Was macht die Fahrt?“
    „Moment, das bezahle ich“, meldete sich Artur zu Wort und eilte zum Taxi.
    „Kommt gar nicht in Frage. Das geht auf die Firma – auf die Schule, meine ich“, widersprach die Frau energisch. Ehe Artur sein Portemonnaie aus der verschwitzten Hosentasche hervorgekramt hatte, hatte sie den Fahrpreis bereits entrichtet. Auch ein großzügiges Trinkgeld hatte sie nicht vergessen.
    „Vielen Dank“, sagte Artur, dem es immer peinlich war, eine Rechnung nicht selbst begleichen zu können. Dem Fahrer nickte er zu.
    Die Frau antwortete nichts, bis das Taxi auf dem Kies gewendet hatte und durch das geöffnete Tor verschwunden war. Eine Weile lang stand der aufgewirbelte Staub in der Luft wie eine gelbliche Nebelschwade.
    „Wir brauchen jeden Freund, den wir kriegen können“, sagte sie unvermittelt. „Jeden einzelnen. Wir haben viel zu wenige davon.“
    Artur wusste nicht, ob sie von ihm sprach, oder ob sie den Taxifahrer meinte, den sie eben auf eine Tasse Tee einzuladen versucht hatte.
    „Das ist der Grund, warum sie immer mich vorschicken, wenn es darum geht, mit Leuten zu reden“, fuhr die Frau fort. „Ich bin die einzige in diesem ganzen verrückten Haus, die mit Menschen umgehen kann. Glauben Sie mir, junger Mann, wenn Sie von irgendeinem der anderen empfangen worden wären, säßen Sie jetzt vielleicht schon wieder in dem Taxi, auf dem Weg zurück ins Tal.“
    Artur sah sie aus großen Augen an.
    In seiner linken Hand hielt er den Riemen des Koffers. Seine Rechte schnappte die Frau sich. Ihr Griff war fest, ihre Hand trocken und kühl.
    „Mein Name ist Maus. Margarete Maus. Ich bin Dozentin hier. Mein Name steht nicht auf dem Briefkopf dieser Uni, aber ich arbeite daran.“
    Sie stoppte sich, schien zu warten, dass er lachte, aber er verpasste den Zeitpunkt, und sie sprach weiter: „Kommen Sie doch rein. Haben Sie Hunger? Das Abendessen ist schon vorüber. Wir essen zeitig, wie im Krankenhaus. Aber Ekaterini wird Ihnen bestimmt noch etwas herrichten, wenn Sie möchten. Ihr Wagen steht noch da, also muss sie noch irgendwo im Haus sein. Ekaterini ist die Köchin. Eine waschechte Griechin, wenn auch in Deutschland geboren. Sie macht die besten Suzukakia im ganzen Schwarzwald. Oh, was ...“
    Mitten im Gehen blieb sie plötzlich stehen, ließ seine Hand los und schüttelte sich. Ihr Mund klaffte auf, und ihre eben noch entspannte Stirn wurde von einem Gespinst tiefer Falten durchzogen.
    Artur sah zur Seite. Es war ihm so peinlich ...
    „Was war das?“, hauchte Margarete Maus. „Mir war auf einmal ... eiskalt. Und ... da war ein Pfeifen in meinen Ohren. Merkwürdig ... Sagen Sie, bitte, für wie alt halten Sie mich? Und seien Sie ehrlich!“
    Artur richtete den Blick auf sie, antwortete jedoch nicht.
    „Na, ganz so ehrlich muss es dann auch wieder nicht sein! Okay, ich bin dreiundvierzig. Ich mache kein Geheimnis draus. Immer noch ein bisschen früh für die Wechseljahre, oder?“ Energisch stampfte sie auf die Tür zu, deren rechter Flügel einen Spalt weit offen stand. Sie stieß beide Flügel auf, trat einen Schritt zurück und breitete die Arme aus.
    „Willkommen“, rief sie.
    Als Artur seinen Koffer mit einem Ruck über die Schwelle zog, musste er noch einmal an ihre Worte denken.
    Wir brauchen jeden Freund, den wir kriegen können.
    So hatte sie es formuliert.
    Ich bin gespannt, ob ich ein Freund sein werde , dachte er. Es

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