Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
„Sie wird durchkommen.“
„Das Krankenhaus ... ist sie im Krankenhaus?“
„Sie ist im Schloss, in ihrem Zimmer. Ein Arzt hat sie untersucht. Ein Arzt, dem wir vertrauen. Alle anderen Ärzte hätten zu viele Fragen gestellt. Ich habe dir schon einmal gesagt, Artur, wir haben viel zu wenige Freunde. Leider. Wenn wir die Polizei eingeschaltet hätten, hätten sie dich wahrscheinlich mitgenommen. Gut möglich, dass man dir einen Prozess wegen versuchten Mordes angehängt hätte.“
„Versuchter Mord ...“
„Wir glauben nicht, dass du ein Mörder bist, Artur. Und wir glauben nicht, dass die polizeilichen Untersuchungen unserem Haus gut getan hätten. Wir brauchen keine Behörden und keine Presse.“
Artur nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas und setzte sich auf. Es ging. Er hatte kaum Schmerzen, er war nur noch ein wenig benommen. Er rieb seine Schenkel langsam und kraftvoll, nur um etwas zu tun.
„Was ist das, Artur, was du uns da mitgebracht hast?“ Diese Frage kam von Werner. Alle duzten sie ihn plötzlich. Es störte ihn nicht. Im Gegenteil – er hatte das Gefühl, in eine Familie aufgenommen worden zu sein.
Und er gab sich Mühe, die Frage zu beantworten. „Es ist mein ... Schutzengel. Er wacht über mich.“ Er starrte ins Leere, nachdenklich, unsicher.
„In deinen Briefen hast du so etwas nicht erwähnt“, stellte Werner fest.
„In meinen Briefen? Woher kennen Sie – woher kennst du meine Briefe? Meine Briefe gingen an den Rektor, an Herrn Hotten. Du bist ...“ doch nur ein Gärtner.
„Das eine schließt das andere nicht aus“, schmunzelte Werner. „Ich bin Gärtner, Hausmeister und Rektor in einem. Werner Hotten. Es gibt hier nicht viel zu tun als Rektor bei einem Dutzend Studenten, und der Garten ist einfach zu schön, um ihn einem anderen zu überlassen. Allein die Rosen ... ein Gedicht ...“
„Wir kommen vom Thema ab.“ Margarete rümpfte die Nase über Werner Hottens verklärte Miene. „Wir dachten, du kommst als Student nach Schloss Falkengrund. In die Universität der Grenzwissenschaften.
„Genau das wollte ich.“
„Aber du bist nicht als Student gekommen, sondern als ... Fall, als Studienobjekt.“
Artur schloss die Augen. „Das war nicht meine Absicht. Ich ... wollte einfach mehr erfahren … über das alles. Ich wollte Einblicke bekommen in Dinge, die mir sonst niemand erklären kann.“
„Wie deinen Schutzengel. Was weißt du über ihn?“
„Nicht viel. Ich habe ihn, seit ich denken kann. Er prüft die Menschen in meiner Umgebung. Die, die mir nicht schaden können, lässt er in Frieden.“
„Und die anderen?“ Margarete kniff die Augen zusammen. „Die beseitigt er?“
„Er ... er versucht sie zu verjagen. Wenn er spürt, dass jemand mir in Zukunft etwas Böses tun wird, dann jagt er ihn weg. Er jagt ihn einfach weg. Ich schwöre, das ist alles, was er tut! Er tötet niemanden!“
„Madoka Tanigawa hätte er aber das Leben gekostet, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre und das Mädchen von seinem Einfluss isoliert hätte. Das war keine einfache Operation, übrigens.“
Artur fiel nichts dazu ein.
Aber Werner hatte die Lösung. „Nein, denken wir doch nach. Der Schutzengel hat Madoka zu verjagen versucht. Wir wissen, wie ungewöhnlich Madoka reagiert. Manchmal ist sie gleichmütig wie ein Stein. Dann wieder gerät sie sofort in Panik, wegen geringster Anlässe. In ihrer Verwirrung sprang sie durchs Fenster. Und dann, als er wieder bei ihr war und sie weiter zu verjagen versuchte, schleppte sie sich weiter, immer weiter. Vielleicht war sie noch nicht weit genug entfernt, denn der Schutzengel – wenn er das wirklich ist – ließ nicht locker.“
„Er hätte sie umgebracht“, gab Margarete zu bedenken.
„Ohne Frage, aber nicht, weil er sie töten wollte, sondern offenbar nur, weil sie nicht mehr in der Lage war, weiter zu fliehen. Ein Zufall. Ein ... Unfall.“
Artur senkte den Kopf. „Danke.“
Werners Augen wurden schmal. „Es ist noch zu früh, mir zu danken. Wir werden deinen unsichtbaren Begleiter im Auge behalten. Noch wissen wir nicht, was er wirklich ist. Einem Engel bin ich noch nie begegnet. Dafür aber einigen anderen unangenehmen Zeitgenossen ...“
Margarete Maus ergriff das Wort. „Artur, du kannst hier bleiben und ein Studium beginnen, wenn du das noch möchtest. Aber unter einer Bedingung – du wirst uns gestatten, unsererseits diesen Schutzengel zu studieren. Wir möchten wissen, wer oder was er ist. Aus
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