Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
Seite neben den weichen, golden schimmernden Fellen. Bardelph verschloss die Kiste wieder. Eine andere enthielt Werkzeuge und Jagdwaffen, ließ aber genug Raum für Alduins Gepäck.
»Und was ist mit dem Korb?«, fragte Bardelph. »Vielleicht können wir den noch hier hineinquetschen.«
In diesem Moment stieß Rihscha einen wütenden Schrei aus. Bardelph trat vor Schreck einen Schritt zurück, fiel prompt über Bord und platschte ins Wasser. Es war nicht sehr tief, dennoch wurde er von Kopf bis Fuß nass. Als er wieder auf das Floß geklettert war, lachte er herzlich.
»Bei der heiligen Feder Gilians, was hast du denn in dem Korb?«, rief er aus.
Doch bevor Alduin antworten konnte, mischte sich seine Mutter ein, denn sie hatte den typischen Ausruf erkannt, der dem von den Raiden verehrten Gott galt.
»Ihr seid ein Raide! Ein Falkner?«
»Ja, ein Raide, aber kein Falkner. Ich habe zwar die Falknerlehre mitgemacht, konnte mich aber nie mit einem Falkenjungen verbinden, deshalb bin ich Jäger geworden.«
»Dann könnt Ihr meinem Sohn vielleicht ein wenig über das Leben im Falkenhaus erzählen«, sagte Aranthia und hob den Deckel des Korbes hoch, sodass Bardelph einen Blick hineinwerfen konnte.
»Das darf nicht wahr sein!«, rief er erstaunt. »Das ist ein Marvenküken, wenn sich meine alten Augen nicht täuschen!«
»Er heißt Rihscha«, warf Alduin ein. »Er ist zwölf Tage alt.«
»Tatsächlich? Und er hat dich zum Gefährten gewählt?«
Alduin nickte.
»Das darf nicht wahr sein!«, murmelte Bardelph noch einmal und raufte sich den Bart. »Hätte das nie für möglich gehalten, schon gar nicht in freier Wildbahn ... und auch noch ein Marven! Das ist wirklich etwas ganz Besonderes, mein Junge. Unten im Falkenhaus werden eine Menge Leute sehr neidisch sein, wenn sie das erfahren.«
»Genau dorthin wollen wir auch«, erklärte Aranthia. »Ich kann Alduin nicht ausbilden und er muss lernen ...«
Der Raide nickte und zuckte die Schultern. »Ihr habt Recht, liebe Frau, aber mit einem wilden Marven könnte es ziemlich viele Schwierigkeiten geben ...«
Mit zweifelndem Gesichtsausdruck wies er ihnen ihre Plätze zu, nahm den Staken und stieß das Floß vom Ufer ab. Alduin setzte sich auf eine der Kisten neben seine Mutter, presste den Korb eng an sich und beobachtete nachdenklich den Flößer.
Bis Lemrik floss der Fluss breit und gemächlich dahin, aber sie bewegten sich gegen die Strömung und Bardelph brauchte all seine Kraft, um flussaufwärts voranzukommen. Die Zeit verging nur langsam; sie sprachen kaum miteinander. Rihscha schlief zwischen den Fütterungen und auch Alduin nickte beim friedlichen, gleich mäßigen Geräusch des Stakens immer wieder ein. Im Halbschlaf reiste er zu fremdartigen und ungewöhnlichen Orten. Bardelph war zufrieden, obwohl sie nur langsam vorwärts kamen, und als die Sonne ihren Zenith erreicht hatte, stieß er das Floß auf das grasbewachsene Ufer und legte eine Pause ein.
»Springt runter, alle beide! Alduin, stell endlich den Falkenkorb weg und hilf mir das Floß aus dem Wasser zu ziehen!«
Als sie das Floß fest vertäut hatten, suchten sie nach einem schattigen Platz, um zu essen. Aranthia hatte schon alles vorbereitet: getrocknete Fleischstreifen, die Alduin weich kaute und an Rihscha verfütterte; für die Reisenden gab es Brot, Ziegenkäse, ein paar Winteräpfel und Nüsse. Bardelph hatte ein wenig leichten Kilvarbeerenwein dabei, den sie zu dem einfachen Essen tranken, sodass daraus fast ein kleines Festmahl wurde. Alduin entspannte sich allmählich und wagte sogar dem Raiden ein paar Fragen zu stellen.
»Das Falkenhaus - wie ist es dort?«
»Hmmm«, Bardelph schloss die Augen, um sich die Bilder besser in Erinnerung rufen zu können. »Nichts ist mit der Falkenhalle zu vergleichen. Sie ist das Herz des Ganzen und es gibt dir ein Gefühl ... wie ein Tempel, aber voller Leben. Keine Steinstatuen, keine Altäre und keine Gesänge. Aber trotzdem voller Geheimnisse.«
Darunter konnte sich Alduin nicht viel vorstellen, da er in seinem ganzen Leben noch keinen Tempel gesehen hatte, aber nach dem, was Bardelph sagte, musste das wohl ein ganz besonderer Ort sein.
»Und überall liegt dieser einzigartige Geruch der Falken in der Luft«, fuhr der Raide fort. »Nicht wie Weihrauch - es ist der Moschusgeruch der Vögel, den wir immer >Nektar< genannt haben.« Er lachte leise. »Andere Menschen würden das wahrscheinlich als Gestank bezeichnen, aber ein echter Falkner
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